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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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der Prä -Diaspora-Zeit existiert hätte(n), einer so lang vergangenen Zeit, daß nur das Archiv noch Kenntnis davon hatte – erst dann erfahren die Bewohner von Toleranz, daß es sich bei ihrem unverhofften und äußerst erregten Besuch um Bertran und Nela Zy-Czorsky handelt.
     
    Woanders auf Woanders, in Enarae.
    Fringes Vater starb urplötzlich. Sein Name erschien im Bulletin, welches das Management von Enarae täglich für die Angehörigen veröffentlicht. Als Fringe, die nun Anfang Dreißig war, dem Brauch gemäß Chars Blut-Buch in der Halle der Schlußabrechnung öffnete, stellte sie fest, daß sie überhaupt nicht mehr Chars Tochter war.
    Die Blut-Bücher aller Verstorbenen lagen in der Halle aus, damit Familienangehörige und Gläubiger Einblick nehmen konnten. Auf der ersten Seite waren die Familienangehörigen aufgeführt, weil sie für die Schulden des Verstorbenen aufkommen mußten. In Chars Buch war nur ein Name verzeichnet: Yilland alias Dorwalk, Adoptivtochter von Char Dorwalk. Fringe selbst und ihr Bruder wurden nicht erwähnt.
    Fringe bewahrte Haltung, auch wenn die Umgebung vor ihren Augen verschwamm. Sie spürte etwas wie Schmerz, obwohl es im Grunde kein Schmerz war - eher vielleicht ein Bewußtsein der Endgültigkeit, wie wenn man sich von einer Klippe stürzt und erst dann erkennt, daß es ein tiefer Fall ist.
    »Das wußte ich nicht«, entfuhr es Fringe fast im Flüsterton; niemand sollte es hören.
    Ein großer, glatzköpfiger Mann, der Fringe neugierig angeschaut hatte, richtete ruckartig den Blick auf eine Person am anderen Ende der Halle und nuschelte: »Das ist sie. Das ist Yilland.«
    Die einzige Frau in dieser Richtung sprach gerade mit hoher, schriller Stimme zu einem der Schiedsmänner der Schlußabrechnung. Sie war dürr und knochig, vielleicht etwas jünger als Fringe, und obwohl ihre Worte nicht weit trugen, hatte ihre Stimme doch einen – schneidenden Klang, wie ein Messer, das gewetzt wurde.
    »Will nicht aufdringlich sein«, sagte der glatzköpfige Riese. »Mein Name ist Curvis. Als ich Sie zum letztenmal gesehen hatte, waren Sie noch ein kleines Mädchen mit einem roten Wuschelkopf. Nun sind Sie erwachsen, aber Sie haben noch immer diese lustigen Augen!« Er strich sich über die glänzende Platte und grinste schief.
    Fringe nickte; sie wußte sehr wohl, daß sie noch über ihre angeborenen Merkmale verfügte. Glaubte der Schrat vielleicht, sie hätte ihr Haar verkauft? Oder die smaragdgrünen Augen? Nun, wieso nicht. Manchmal verkaufen die Leute eigene Körperteile. Augen, Nasen, Ohren, innere Organe, Gliedmaßen. Manchmal wurden sie auch dazu gezwungen.
    Er setzte ein Grinsen auf, mit dem er um Entschuldigung heischen wollte und zuckte die Achseln. »Jemand sagte mir, daß Ihr Vater sie adoptiert hätte. Wußten Sie das wirklich nicht?«
    »Ich wußte es nicht«, wiederholte sie. Sie war so perplex, daß sie vergaß, was ihn das überhaupt anging. »Aber ich habe Paps auch… nun, schon seit einer Weile nicht mehr gesehen.«
    »Alter Bastard«, sagte Curvis und schüttelte den Kopf, als ob dies eine bereits bestehende Ansicht bestätigte. »Tut so etwas seinem eigen Fleisch und Blut an.« Er strich über eine geräumige Brusttasche, in der sich etwas bewegte. Ein Gerät. Oder vielleicht ein Lebewesen.
    Fringe schluckte den Kloß, den sie im Hals hatte, hinunter und sagte mit unbewegtem Gesicht: »Immerhin trage ich dadurch kein Schuldenrisiko. Also müßte ich ihm sogar noch dankbar sein.« Dennoch fragte sie sich, ob nicht vielleicht doch ein Fehler vorliege.
    Erneut warf sie einen Blick auf Chars Buch, doch es war kein Fehler. Die neue Tochter war wirklich die einzig registrierte Familienangehörige und gleichzeitig Alleinerbin. Trauer überkam Fringe, wie eine Flutwelle in einem ausgetrockneten Flußbett; nicht etwa wegen der Erbschaft (sie hatte gar nicht gewußt, daß es etwas zu erben gab), sondern weil er sie mit keinem Wort erwähnt hatte. Und weil das Buch besagte, daß Char die neue Tochter adoptiert und seine leibliche Tochter abgeschrieben hatte, war dies für Fringe ein Versprechen ganz anderer Art.
    Sie holte tief Luft und legte das Buch hin, wobei die dünne Kette, mit der es am Pult befestigt war, vernehmlich klirrte. Einer der uniformierten Angestellten schaute stirnrunzelnd vom Computer auf und widmete sich wieder den Zahlen, die auf dem Monitor erschienen. Hier wurde Bilanz gezogen. Hier war Endstation. Was auch immer man sich erhofft, erträumt und

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