Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
Boarmus’ Augen bedeutet, daß er von einem anderen Bewußtsein, einem anderen Muster gesteuert wird. Diese Stimme klingt weiblich, fast mütterlich. »Haben Sie das Archiv wegen der Drachen befragt?«
    Boarmus beschließt, es zu riskieren. Die Neugierde ist stärker als die Angst. »Mit wem spreche ich denn?« fragt er höflich.
    »Mit… Professorin Mintier Thob«, sagt die Stimme nach kurzem Zögern.
    »Frau Professorin, natürlich habe ich das Archiv wegen der Drachen befragt.« Sie (es) weiß natürlich genauso gut wie er, daß im Archiv mehrere tausend Jahre Drachenhistorie gespeichert sind. Ausgestorbene und lebende Echsen, die als Drachen bezeichnet werden. Alte und moderne Kunst mit Drachenmotiven. Drachen in menschlichen und nichtmenschlichen Legenden. Ausgestorbene und lebende intelligente Rassen, die wie Drachen aussehen. Boarmus kennt sie alle und sagt es auch.
    Wieder tritt dieses Schweigen ein. »Die Arbai glichen Drachen«, sagt die Maschine. »Im Archiv gibt es Bilder von ihnen. Im Archiv gibt es Daten. Wo ist das Arbai- Tor, das bei unserer Ankunft auf Woanders war?« Die Worte kommen stockend, wie wenn eine Maschine mit Verzögerung anlaufen würde.
    »Sie wurde im Anfangsstadium der Besiedlung in die Große Rotunde gebracht, wo sie sich seitdem befindet«, sagt Boarmus. »Bisher ist nichts durchgekommen, falls Sie das meinen. Außerdem gab es überall Arbai- Tore. In der ganzen Galaxis. Und was die Arbai selbst betrifft, so sind sie ausgestorben.«
    »Wie wir«, meldet die erste Stimme sich wieder zu Wort, und für einen Moment glaubt Boarmus ein hämisches Lachen zu hören. »In gewisser Weise. Aber das ist auch nicht wichtig. Wir können mehr tun… ausgestorben.«
    »Wenn das alles ist«, sagt Boarmus, wobei es ihm nur mit Mühe gelingt, den Eindruck der Weinerlichkeit zu vermeiden. Er will diesen Ort und diese Phantome verlassen. Er muß die Weiterungen all dessen bedenken. Er muß nachdenken!
    »Nein. Das ist noch nicht alles.« Trotz der tonlosen Stimme interpretiert Boarmus die Worte als Drohung. »Jemand hat sich nach uns erkundigt, Kommandeur. Jemand hat dem Archiv Fragen gestellt.«
    Panik überkommt ihn, wie ein Kind, das bei einer Missetat ertappt wird. Dabei war es nur eine Kleinigkeit! Er hätte nicht damit gerechnet, daß sie es bemerkten. Vielleicht hätte er doch damit rechnen sollen, aber er hatte gehofft… Verdammt. Der verdammte Danivon Luze. Nun, Danivon ist weit weg von Toleranz, also sei’s drum.
    »Sagen Sie, was geschehen ist«, verlangt die Stimme.
    »Was soll geschehen sein?« Er stellt sich dumm.
    »Jemand hat sich… nach uns erkundigt.«
    Boarmus schüttelt den Kopf. »Ich glaube nicht, daß jemand sich wissentlich nach Ihnen erkundigt hat. Von Zeit zu Zeit stoßen Leute, die sich mit Geschichte beschäftigen, auf einen Bezug zu den Anfängen der Besiedlung, mehr nicht. An jedem Große-Frage-Tag befassen die Leute sich mit den Anfangsgründen der Besiedlung, dem Komitee und dem Umstand, daß die Mitglieder des Komitees hierher nach Woanders kamen. Das heißt aber nicht, daß die Leute über den Kern informiert sind oder darüber, daß Sie… noch immer hier sind.«
    »Sie glauben, daß wir tot sind!« konstatiert die Stimme.
    »Ja, sie glauben, daß Sie hier gelebt haben und gestorben sind. Das wäre der normale Gang der Dinge gewesen«, murmelt Boarmus. »Niemand weiß etwas vom Kern außer mir.«
    Niemand außer dem jetzigen Kommandeur und vielleicht seinen noch lebenden Vorgängern hatte davon gewußt. Boarmus weiß jedoch nicht, welchen Unterschied das machen würde. Bevor die ersten Flüchtlinge auf Woanders eintrafen, hatte man den Kern tief in unzerstörbaren Stein gebettet, mit unverwüstlichem Vitreon beschichtet und zusammen mit eigenen Lagerhäusern, einer eigenen Fabrik und eigenen Kraftwerken mit einer doppelwandigen Hülle und einem energetischen Schutzschirm umgeben. Der Kern war nicht auf Woanders angewiesen! Selbst wenn jeder auf Woanders von ihm wußte, welchen Unterschied würde das machen? Schließlich ist der Kern nicht einfach mit dem Hammer zu knacken!
    »Die Person, von der Sie sprechen, war aber nicht die einzige Person. Auch andere Personen haben sich nach diesem Platz und unserem Aufenthaltsort erkundigt. Solche Fragen sind ebenfalls verboten.«
    Andere Personen? Boarmus schluckt. Er hatte keine Ahnung, daß jemand anders nachgefragt hatte… »Nun, ich müßte die jüngsten Dateien durchgehen, um zu sehen, was sie wirklich wissen

Weitere Kostenlose Bücher