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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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erst nach seinem Tod erfahren. Wußten Sie das schon?«
    Tränen liefen über Yillands Gesicht. »Ich hatte das nie von ihm verlangt. Ich wußte nicht einmal, daß Sie es nicht wußten. Er hatte uns nicht gesagt, daß er Ihren Aufenthaltsort kannte. Ich dachte, Sie wären verschwunden und würden nichts brauchen…«
    »Und wenn ich etwas gebraucht hätte?« fragte Fringe. »Hätten Sie oder Ihre Mutter mir geholfen?«
    Yilland errötete erneut, die Zuckungen traten wieder auf, und Fringe fühlte sich schuldig, als ob sie ein Kind geschlagen hätte.
    »Was ist denn mit Omas ganzem Erbe geschehen?«
    Yilland gestikulierte ratlos. Weg, schienen die Finger zu sagen. Verpulvert. Futsch. Nun, das war typisch.
    »Gehen Sie nach Hause, Yilland«, sagte Fringe ungeduldig. »Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Forderung. Ich werde mich darum kümmern. Aus Neugier, weil Sie mich darum bitten und wegen der Gebühren. Nein, nein, mit der Bezahlung eilt es nicht. Später. Wenn Sie mit einem standesgemäßen Professionellen verheiratet sind.«
    Yilland lief puterrot an. »Ich habe nicht das Recht, Sie das zu fragen. Mutter und ich… wir dachten, Sie hätten Char verraten«, flüsterte sie, wobei ihre wahren Gefühle zum Vorschein kamen. »Nun, er sagte, Sie hätten ihn verraten. Durch Ihre Berufswahl seinen Status als Professioneller kompromittiert…«
    Zuerst spürte Fringe blinde Wut, die dann einem Gelächter wich, in dem so etwas wie Mitleid mitschwang.
    »Sie haben keine Ahnung, was ich bin«, flüsterte sie.
    Yilland wurde blaß und wich zurück.
    »Sie haben keine Ahnung«, wiederholte Fringe. »Sie und Ihre hochwohlgeborene Mutter und all die selbstgefälligen Leute von Enarae. Das ganze Volk von Enarae! Sie verdanken mir und Leuten wie mir ihre Existenz! Char Dorwalk lebte vom Blut solcher Leute wie ich. Wir sind es, die eure kleine Welt beschützen und für euer Wohlergehen sorgen. Gäbe es nicht mich und Leute wie mich, die für Ordnung sorgen, würden diejenigen, die ihr so verachtet, sich erheben und euch hinwegfegen! Oder die Götter von Hobbs Land würden euch versklaven, und das wäre vielleicht noch das beste für euch alle!«
    Das war das Credo der Beauftragten. Auch wenn Fringe nicht alles glaubte. Doch in diesem Moment waren es in ihren Augen die einzig richtigen Worte.
     
    Es war Nacht in Toleranz, neun Zehntel der Bevölkerung schliefen, die Korridore waren verwaist, und nur die Nachtschicht saß vor den Monitoren. Das war die Hundewache, die Zeit für unerklärliche Phänomene. Türen tief unter dem Erdboden öffnen sich wie von Geisterhand. Dumpfe Laute dringen aus uralten Arsenalen. Leute erwachen schweißgebadet und mit pochendem Herzen aus Träumen. Angehörige der Nachtschicht glauben, Dinge aus den Augenwinkeln zu sehen. Die Medotechniker sind besorgt und fragen sich, ob sich eine Art Epidemie anbahnt.
    Falls dem so ist, gehört auch Boarmus zu den Leidenden; er wacht mitten in der Nacht auf und atmet schwer, als ob er aus einem Alptraum erwacht wäre. Die Luft im Raum flirrt, als ob er mit transparenten Wesen angefüllt wäre. Er glaubt Gesichter zu sehen, Hände und Arme, die sich wie Tentakel krümmen. Er weiß, daß er Stimmen hört. Tote Männer. So bezeichnet Boarmus sie. Tote Männer. Früher waren sie nie hier erschienen, doch in letzter Zeit – in letzter Zeit scheinen sie nach Belieben ein und aus zu gehen.
    Boarmus wuchtet sich aus dem Bett und geht, so wie er ist, nach draußen, im zerknitterten Nachthemd, ohne Korsett und mit verschlafenem Blick. Die Korridore sind leer bis auf die wabernden Schemen, die er an den Wänden sieht, bis auf die paarigen weißen Kreise, die ihm durch die kleine Halle bis zum geheimen Antigravschacht folgen, der sich auf Zuruf öffnet und ihn dreihundert Meter abwärts befördert. Klirrend öffnen sich durch einen Stimmcode aktivierte Sicherheitsschleusen und gewähren ihm Zugang zu einem kleinen Würfel mit blanken Metallwänden.
    Bevor der frühere Kommandeur, Chadra Hume, nach Himmel in den Ruhestand gegangen war, hatte er Boarmus einmal hierher mitgenommen. Es hatten sich damals keine Markierungen an den Wänden befunden, um Chadra Hume zu leiten, und es gibt auch jetzt keine, um Boarmus zu leiten. Er muß sich daran erinnern, wo die Sensorplatten sitzen. Drei Schritte zur Linken der Aufzugstür auf Schulterhöhe (wo er zwei geisterhafte Gesichter zu sehen glaubt, die ihn anschreien). Eins. Sechs Schritte zur anderen Seite, Hüfthöhe (wo er mit der

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