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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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wollten. Fragen zu… Orten sind nicht grundsätzlich verboten. Manche Antworten sind nur nicht verfügbar, das ist alles.« Boarmus gelingt ein überzeugendes Gähnen, obwohl er unbedingt wissen will, von wem die Stimmen sprechen.
    »Sie haben einen der Fragesteller weggeschickt«, sagt der tote Mann.
    Boarmus runzelt die Stirn. »Wenn Sie Danivon Luze meinen, den habe ich nach Panubi geschickt, damit er wegen dieser Sache mit den Drachen ermittelt. Er ist der beste Mann, den ich für diesen Auftrag habe.« Die Petitionen erwähnt Boarmus indes nicht. Er hofft, daß die toten Männer nicht auch darüber Bescheid wissen. Wenn sie schon durch ein paar harmlose Fragen zur Geschichte die Fassung verlieren, wie würden sie dann erst reagieren, wenn sie aufgefordert wurden, eine Totalrevision ihres Weltbilds vorzunehmen!
    Schweigen. Das Schweigen ist im Grunde schlimmer als die Stimmen, denn es wird von einem kaum wahrnehmbaren hungrigen Heulen unterlegt. In der Gruft hat er den Eindruck, daß die toten Männer sich wie Schlangen krümmen und sich dem Glas entgegenrecken. Chadra Hume hatte ihm von Träumen erzählt, in denen schlangengleiche Arme das Glas sogar durchbrachen und ihn packten. Boarmus schließt die Augen und rezitiert stumm unanständige Verse. ›Es war einst ein Mädchen in Harbin, das sich fragte, wie’s wär’ mit ’nem Dinka-Dschinn…‹ Die toten Männer sind harmlos. Sie mögen in der Lage sein, Erscheinungen vorzuspiegeln und Laute zu erzeugen (obwohl die optischen und akustischen Eindrücke vielleicht nur seiner Einbildung entspringen), aber berühren können sie ihn nicht.
    Die Stille ist so vollkommen, daß Boarmus fast den Eindruck hat, der Schall selbst sei zum Stillstand gekommen. Dann ertönt wieder die Stimme des Schluckers:
    »Wir wollen nicht, daß jemand Fragen stellt, Kommandeur. Es mißfällt uns, daß bloße… Sterbliche nach uns fragen. Wo wir sind. Wer wir sind. Wir werden… uns jener entledigen, die Fragen stellen. Wahrscheinlich werden wir uns auch Danivon Luzes entledigen. Und der anderen, nachdem wir sie identifiziert haben…«
    Sie werden sich ihrer entledigen? Sie? Wie sie das wohl anstellen wollen? Und bloße Sterbliche? Wie kommen sie denn darauf?
    »Danivon Luze ist unersetzlich für mich«, widerspricht Boarmus.
    »Was Sie wollen, spielt keine Rolle«, sagt die Stimme leise lachend. »Wir haben die Macht, Boarmus. Die absolute Macht. Wir werden… mehr sein als bloße Sterbliche, Boarmus!« Wieder ertönt dieses Lachen.
    Boarmus bemüht sich, angesichts dieser unglaublichen Aussage nicht die Fassung zu verlieren. Was meinen die toten Männer? Und wie wollen sie jemanden töten?
    Er muß darüber nachdenken. Er muß von hier verschwinden und darüber nachdenken. Er leckt sich die Lippen. »Wenn das alles wäre«, sagt er ein zweitesmal.
    Keine Antwort. Dann ist ein Flüstern zu vernehmen. »Ich habe schon zwei von ihnen getötet, Kommandeur. Junge Menschen. Opfer. Für uns.« Eine lange Pause. »Für mich.«
    Boarmus schluckt und spürt ein ätzendes Brennen in der Kehle. Was haben die toten Männer getan?
    Für einen Moment wendet er den Blick ab, atmet tief durch und gewinnt die Fassung zurück. Als er sich umdreht, sieht er, daß die meisten Lichter der Maschine erloschen sind; nur ein paar Lampen flackern noch hektisch, was bedeutet, daß die toten Männer sich Zugang zum Archiv verschaffen und nachdenken. Er erhebt sich vom Stuhl und geht durch den verschlungenen Korridor zum nächsten Schrank, wo er hektisch die Akten durchsucht und ein paar Behälter mit Material herausholt, mit dem er sich bisher nicht befaßt hatte. Eigentlich ist es nicht gestattet, Unterlagen oder sensorische Aufzeichnungen mitzunehmen, doch Boarmus ist nicht imstande, sie hier durchzugehen. Zu einem längeren Aufenthalt hier wäre er physisch nicht in der Lage.
    Mit den Dokumenten begibt er sich auf den Rückweg zu seiner Suite, wobei er nur einmal kurz vom Anblick einer Person abgelenkt wird, die sich hinter einer halboffenen Wandverkleidung versteckt. Er hat keine Zeit, sich den Unbekannten zu schnappen. Kaum hat er die Unterkunft erreicht, als er sich gleichzeitig übergibt und sich entleert, wie der kranke Hund, den Chadra Hume erwähnt hatte. Das ist Boarmus noch nie passiert, und er schämt sich wegen seiner Schwäche.
    Er wischt den Boden auf, wäscht sich, spült den Mund aus und wirft sich schwer atmend aufs Bett. ›Zwei junge Menschen‹, hat der tote Mann gesagt. Opfer für sie,

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