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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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gesessen. Nein, dann wäre ich gemütlich zu Hause geblieben. Ganz allein. Niemand besucht die Alten. Alte Leute gehen allen nur auf die Nerven! Sie reden wirres Zeug, sie pieksen, sie riechen nicht gut, und sie behaupten die ganze Zeit, früher sei alles besser gewesen. Da ist es mir doch lieber, ohne Geld dazustehen und dafür dich kennengelernt zu haben … Denn dank dir habe ich jetzt nie mehr Fliegen im Kopf.«
    Jeden Abend nach der Schule ging Alexandre zu Becca. Ihr richtiger Name war Rebecca, aber alle nannten sie Becca. Wer sind denn alle?, hatte Alexandre gefragt. Hast du Freunde? Ja, natürlich … bloß weil ich kein Haus habe, heißt das noch lange nicht, dass ich keine Freunde hätte. Es gibt viele wie mich. Dir fällt das nicht auf, weil du in einem Reichenviertel wohnst und es im Zentrum von London nicht viele Obdachlose gibt, sie vertreiben uns, sie jagen uns weit, weit weg. Wir sollen uns von den Touristen fernhalten, von den reichen Leuten, den schönen Autos, den schönen Frauen und den feinen Restaurants … Aber soll ich dir was sagen, luv , es wird immer mehr Leute wie mich geben. Schau dich nur mal in den Obdachlosenheimen um, dann wirst du sehen, wie die Schlangen immer länger werden. Und zwar mit allen möglichen Leuten! Nicht nur alte. Auch junge! Und gut gekleidete Herren halten da ihre Schüssel hin … Neulich stand ich in der Schlange hinter einem ehemaligen Banker, der Krieg und Frieden las. Wir haben uns unterhalten. Er hatte seinen Job verloren und danach auch sein Haus, seine Frau und seine Kinder. Und ehe er sich’s versah, stand er auf der Straße mit nichts als seinen Büchern und einem schicken Sessel. Einem schönen, mit himmelblauem Samt bezogenen Sessel, der hieß wie ein französischer König. Er lebt in der Nähe der Kirche in der Baker Street … Wir waren uns gleich sympathisch, weil wir beide einen Sessel hatten. Wenn er weggeht, lässt er ihn in der Sakristei.«
    »Ach so …«, hatte Alexandre geantwortet. »Ich dachte, du lebst immer allein … Und warum willst du dann nicht mit deinen Freunden in so ein Obdachlosenheim? Das wäre doch besser, als draußen zu schlafen …«
    »Ich habe dir doch schon einmal gesagt, solche Heime sind nichts für mich. Ich habe es ausprobiert … Vor allem eins, von dem hatte ich nur Gutes gehört, in der Seven Sisters Road … Aber da gehe ich nie wieder hin!«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil es da Männer ohne Arme in grünen T-Shirts gibt, die einen zusammenschlagen!«
    »Wie können sie einen zusammenschlagen, wenn sie keine Arme haben?«
    »Sie treten mit Füßen und Knien und beißen mit ihren Zähnen! Sie sind wie wilde Tiere. Und außerdem muss man abends zu einer bestimmten Zeit wieder da sein, und man muss etwas bezahlen, auch wenn es nicht viel ist, und die klauen dir alles in solchen Heimen … Da sind lauter große Schwarze mit Dreadlocks, die herumschreien, heimlich Bier trinken und überallhin pinkeln! Nein, nein! Da bin ich hier in meinem Rollstuhl besser aufgehoben …«
    »Aber wenn es friert oder schneit, Becca?«
    »Dann gehe ich zum Intendanten der Königin! Da bist du platt, was?«
    »Wer ist das denn?«
    »Ein sehr netter Mann. Er lebt in einem kleinen roten Ziegelhaus im Park … Ein Stück weiter in Richtung Serpentine. Er kümmert sich um die Gärten der Königin. Das ist eine offizielle Funktion, denn diese großen Parks gehören alle der königlichen Familie oder irgendwelchen Herzögen. Wenn es sehr kalt ist, gehe ich zu ihm und verkrieche mich im Gerätehäuschen. Er hat die Fenster abgedichtet und einen Ofen reingestellt, nur für mich. Er bringt mir Suppe, Brot und heißen Kaffee. Und ich schlafe zwischen den Rechen, den Eggen, den Schaufeln, den Rasenmähern und den Holzscheiten. Es riecht gut, nach Gras und Holz. Ich schließe die Augen, so gut riecht das … Ist das kein Luxus? Und wenn ich den Reif von dem kleinen Fenster kratze, sehe ich den Park, ich sehe die Eichhörnchen, die herankommen, ich sehe das Licht in seinem Wohnzimmer, ich sehe seine Frau, die fernsieht, während er liest und vor dem Umblättern seine Finger anfeuchtet … Das ist für mich wie Kino!«
    »Du bist komisch, Becca! Du bist immer glücklich, obwohl du überhaupt keinen Grund dazu hast!«
    »Was weißt du denn schon vom Leben?«
    »Meine Mutter … Sie hatte alles, um glücklich zu sein … aber sie ist es nie gewesen. Sie hatte kurze Phasen, kleine Anfälle von Glück, in denen es schien, als wäre sie es, aber es war nie

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