Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
von dir! Ich bin ganz glibberig vor Rührung …«
Seit Iris’ Tod standen sich Josiane und Joséphine sehr nahe. Joséphine nahm Kochunterricht bei den Grobz’. Sie lernte Madeleines mit Zitrone oder Schokolade zu backen, richtig Eischnee zu schlagen, Kaninchen nach Jägerart zuzubereiten, Tajine mit Pflaumen, feines Karotten- und Lauchgemüse, pikante Kuchen, Früchtekuchen, Pasteten in Teig und Avocadoterrine mit Garnelen. Manchmal kam auch Zoé mit und machte sich in ihrem schwarzen Heft Notizen. Josiane hatte die passenden Worte gefunden, um Joséphine zu beruhigen. Sie drückte sie an ihr Herz, zog sie an ihren üppigen Busen, wiegte sie und strich ihr sacht übers Haar. Die Anspannung wich aus Joséphines Körper, und sie hörte, das geht vorbei, Jo, da, wo sie jetzt ist, geht es ihr besser, weißt du, sie ertrug sich selbst nicht mehr, sie hat ihr Ende selbst gewählt, sie ist glücklich gestorben … Joséphine hob die Nase und murmelte, das ist, als hätte ich eine Mutter, sag, ist das so, wenn man eine Mutter hat? Red keinen Unsinn, brummte Josiane, du bist nicht meine Tochter, und sowieso, eine Mutter hatte ich ja auch nie! Sie streichelte ihre Stirn, erfand leise Koseworte, lustige Worte, die auf und ab hüpften wie Diabolos, bis Joséphine schließlich zwischen Josianes fülligen Brüsten vor Lachen kaum noch Luft bekam.
»Danke, Jo, danke! Mir fällt ein Stein vom Herzen … Ich hatte schon wieder angefangen, mich wegen Junior verrückt zu machen … Soll ich dir das Neueste erzählen? Er hat sich ganz allein das Lesen beigebracht, er zitiert La Bruyère und studiert die Theorie der Zeit! Mir läuft es dabei eiskalt den Rücken runter …«
»Vielleicht gibt es ja viele Eltern mit genialen Kindern … Vielleicht laufen überall auf der Welt welche herum, aber sie werden versteckt, weil ihre Eltern genau wie du Angst davor haben, dass man ihnen wehtut. Es ist eine neue Rasse von Kindern. Sie wurden programmiert, um das Licht in die Welt zu bringen … Sie sind unsere Erlöser!«
»Du bist lieb!«, wiederholte Josiane und ließ beim Gedanken, dass ihr Kleiner normal sein könnte, ihren Tränen freien Lauf. Den Tränen der Freude, den Tränen der Erleichterung, den Tränen der Hoffnung.
Oh! Er war nicht normal wie alle anderen, aber normal wie eine Handvoll anderer Kinder. Kinder, auf die man nicht mit dem Finger zeigte, sondern über die man lobende Zeitungsartikel schrieb.
»Du musst dich damit abfinden, dein Kind ist nichts Außergewöhnliches …«
»Es ist nur so schwer, weißt du. Ich fühle mich ständig unsicher. Ich fürchte mich vor dem Blick der anderen. Fürchte mich davor, dass er im Bus auffällt, fürchte mich davor, dass man ihn mir wegnimmt, damit er Computer, Atomraketen, Chemiewaffenkriege oder ballistische Angriffe programmiert. Neulich in der Métro hat er Notenlinien gezeichnet und gesungen und gleichzeitig die Noten aufgeschrieben. Eine Frau hat ihrem Mann zugeflüstert, guck dir mal den Kleinen an, der schreibt die Kleine Nachtmusik auf! Sie muss Musiklehrerin gewesen sein und hat die Partitur wiedererkannt. Beim Antworten hat der Typ den Mund verzogen, damit ich ihn nicht höre, stimmt, du hast recht … der ist bestimmt nicht normal. Wir sind so schnell wie möglich ausgestiegen und den Rest des Weges zu Fuß gegangen …«
»Und das war genau die falsche Reaktion! Du hättest das Kinn recken und ihn wie eine Trophäe präsentieren sollen. Das hätte Mozarts Vater an deiner Stelle getan! Glaubst du etwa, der hätte sich für seinen Sohn geschämt? Nein! Mit vier Jahren stellte er ihn an allen europäischen Höfen zur Schau!«
»Tja … dann muss er mir wohl noch ein bisschen Mut einflößen, denn ich bin noch nicht bereit, Flagge zu zeigen!«
Erleichtert und glücklich legte sie auf. Wandte sich mit gezupfter, aber sicherer Braue wieder ihren Töpfen zu. Junior war normal, Junior war normal, er hatte jede Menge Freunde am anderen Ende der Welt. Nicht gerade praktisch für gemeinsame Spielnachmittage, aber etwas, woran sie sich festklammern könnte, sollte sie wieder in Panik geraten …
»Und jetzt, mein Sohn, suchen wir die Geschenke für unsere Gäste aus«, verkündete Marcel, als sie, die Arme voller süffiger Tropfen, die Weinkammer verließen. »Ich habe eine erste Auswahl aus den Preziosen getroffen, die ich für die Damen bereithalte, und für Gary, den englishman , den wir an unserer Tafel begrüßen werden, habe ich eine schöne Uhr.«
»Ich mag Gary«,
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