Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
erklärte Junior mit einem zufriedenen Blick auf seine glänzenden Mokassins, »er ist elegant, sieht gut aus und ist sich dessen überhaupt nicht bewusst. Die Mädchen müssen verrückt nach ihm sein. Manchmal, Papa, da wünsche ich mir, ich wäre weniger klug und hätte dafür ein ansprechenderes Gesicht. Der Zeitungsverkäufer nennt mich Rothaut, das schmerzt mich …«
»Dieser hinterhältige Quatschkopf!«, rief Marcel. »Wie kann er es wagen! Er ist doch bloß neidisch auf die Sonne in deinem Haar! Der mit seinem kahlen, fusseligen Schädel!«
»Joséphine, Shirley und Zoé mag ich auch. Sie haben einen schönen, liebenswürdigen Charakter. Aber Hortense macht mir Kummer. Sie nennt mich Zwerg und staucht mich zusammen …«
»Sie ist noch jung und grün hinter den Ohren, sie hat doch noch keine Ahnung vom Leben … Mach dir nichts draus, mein Sohn, bald wird sie dir aus dem Händchen fressen.«
»Sie ist schön, furchtlos und hochmütig. Sie vereint beinahe alle Frauen in sich, bis auf die Liebende … Ihr fehlt die liebevolle Hingabe, wie Maman sie ausstrahlt, wenn ihr abends ins Schlafzimmer geht und du ihre Taille umfängst. Ich kann förmlich spüren, wie in ihr die Lust aufsteigt … Eine gefühllose Frau ist eine Frau, die noch nie geliebt hat. Hortense ist aus Eis, weil noch niemand ihren Panzer durchdrungen hat.«
»Da schau her, Junior, du hast die schöne Hortense ja gründlich beobachtet!«
Junior errötete und fuhr sich durch die roten Locken.
»Ich habe sie studiert wie den Lageplan eines Schlachtfelds. Ich wünschte, sie würde mich anders ansehen als mit diesem erstaunten, kalten Blick. Ich will sie verblüffen … aber das wird schwierig: Maman hat mich gebeten, beim Essen das Baby zu spielen.«
Marcel wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Die Arme voller Flaschen, biss er sich nachdenklich auf die Lippen. Ihm war es zwar egal, dass er einen außergewöhnlichen Sohn hatte, aber er verstand die Sorge seiner Frau. Er wusste, wie sehnsüchtig sie auf dieses Kind gewartet hatte, wie sie es sich vorgestellt, im Voraus geliebt hatte, er wusste, wie viele Bücher sie gelesen, wie viele Ratschläge sie gesammelt, wie streng sie ihre Ernährungsvorschriften befolgt hatte, sie wollte die beste Mutter für das schönste Baby sein. Sie hatte nicht vorhergesehen, dass ihr Kind über den knisternden Verstand mehrerer Gelehrter verfügen würde.
»Hörst du mich, Vater?«
»Ja, und ich sitze in der Klemme. Wem der beiden sollst du gefallen? Deiner Mutter oder einem koketten jungen Ding? Es ist Weihnachten, tu deiner Mutter den Gefallen, du hast noch alle Zeit der Welt, Hortense zu beeindrucken.«
Junior senkte den Kopf und kratzte am Etikett der Flasche, die er ins Esszimmer tragen sollte. Kratzte weiter. Dann brummte er: »Ich werde mich bemühen, Vater, versprochen … Aber, Gott, ist das lästig, ein Baby zu sein! Wie schaffen das die anderen bloß?«
»Ich erinnere mich nicht mehr genau daran«, lachte Marcel, »aber ich glaube, das war für mich nie ein Problem! Weißt du, Junior, ich bin nur ein einfacher Mann, der sich des Lebens freut und es Tag für Tag aufs Neue genießt …«
Junior schien über das Konzept des einfachen Mannes nachzusinnen, und Marcel fürchtete, er habe seinen Sohn enttäuscht. Ihm kam ein finsterer Gedanke: Was, wenn sein Sohn ihrer überdrüssig wurde? Wenn er sich irgendwann zwischen seinen beiden Eltern zu langweilen begann, weil sie nicht über jenes Wissen verfügten, das ihn zu begeistern schien und mit Riesenschritten voranschreiten ließ? Wenn er ganz blass und depressiv wurde? Das arme Kind würde verkümmern, und das würden er und Choupette niemals verkraften.
Er zuckte schwungvoll die Schultern, um diese traurige Vorstellung zu verscheuchen, und drückte energisch die Hand seines Sohnes.
Sie öffneten die Schatulle, in der Marcel die Schmuckstücke verwahrte, die er jedes Jahr beim Weihnachtsessen auf die Teller legte, um die Geburt des Messias in Galiläa und die Ankunft eines gelehrten rothaarigen Engelchens in seinem Heim zu feiern.
»Los, such etwas aus … und ich bringe dir die Namen der Edelsteine bei.«
Und so wanderten ein goldenes, mit Diamanten im Rosenschliff und Perlen besetztes Armband aus ovalen Gliedern für Zoé, eine goldene Savonnette-Taschenuhr für Gary, ein mit Brillanten besetzter herzförmiger Anhänger für Joséphine, ein Paar Ohrgehänge mit eingefassten blauen und gelben Saphiren für Shirley und ein goldener Armreif
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