Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
schwimmen?«
»Ja. Früher ging ich immer zum Männerteich, aber … tja … Ich glaube, mir ist doch der lieber, wo Männer und Fr…«
Er verstummte. Fast hätte er gesagt, wo Männer und Frauen zusammenkommen, aber er hatte sich gerade noch zurückgehalten.
Aha!, dachte Shirley, er ist auch verlegen. Dann war er vorhin vielleicht genauso verwirrt wie ich. Gleichstand.
Sie fühlte sich erleichtert. Wie von einer Last befreit.
Sie zog sich die Mütze vom Kopf, zerstrubbelte ihr Haar und fragte: »Wollen wir?«
Danach waren sie geschwommen, geschwommen, geschwommen.
Nur sie beide, allein im Teich. Die Luft war kalt und schneidend. Wassertropfen brannten auf ihren Armen und Schultern. Am Ufer saßen ein paar Angler. Schwäne stolzierten umher. Ihre Köpfe ragten hinter dem hohen Gras hervor. Sie stießen leise, schrille Rufe aus, verfolgten einander mit schlagenden Flügeln, hieben mit ihren Schnäbeln nacheinander und zogen sich zornig watschelnd zurück.
Er schwamm in kraftvollem, schnellem, gleichmäßigem Kraulstil.
Eine Weile war es ihr gelungen, mit ihm mitzuhalten, doch dann hatte er sie mit einem kräftigen Schlag abgehängt.
Sie war weitergeschwommen, ohne noch länger auf ihn zu achten.
Als sie den Kopf aus dem Wasser gehoben hatte, war er fort gewesen.
Und sie hatte sich schrecklich allein gefühlt.
An diesem Morgen sah sie kein am Holzzaun angekettetes Fahrrad.
Sie lächelte nicht, als sie das Schild mit der Aufschrift »Ertrinken verboten« sah.
Ein schlechtes Zeichen, dachte sie bei sich.
Sie geriet in die Gefahrenzone.
Und das gefiel ihr überhaupt nicht.
Sie seufzte. Zog sich aus und ließ ihre Kleider auf den hölzernen Steg fallen.
Hob sie auf. Packte sie weg.
Drehte sich um und sah nach, ob er nicht doch noch angerannt kam …
Sprang kopfüber ins Wasser.
Spürte, wie eine Alge zwischen ihre Beine glitt.
Schrie auf.
Und begann, den Kopf unter Wasser, zu kraulen.
Noch war Zeit, ihn zu vergessen.
Und überhaupt wusste sie schon gar nicht mehr, wie er hieß.
Und überhaupt weigerte sie sich, sich derart aus der Fassung bringen zu lassen.
Eine karierte Lammfelljacke? Eine Wollmütze? Eine alte, abgewetzte Hose! Uhrmacherfinger! Vollkommener Blödsinn!
Sie war keine Romantikerin. Nein. Sie war eine alleinstehende Frau mit Träumen. Sie träumte davon, mit jemandem zusammen zu sein. Sie sehnte sich nach einer Schulter zum Anlehnen, einem Mund zum Küssen, einem Arm, in den sie sich einhängen konnte, um die Straße zu überqueren, wenn die Autos hupten, einem aufmerksamen Ohr, um ihm alberne Geständnisse zuzuflüstern, jemandem, mit dem sie Eastenders im Fernsehen schauen könnte. Die Art bescheuerte Serie, die man nur schaut, wenn man verliebt, also dumm ist.
Denn Liebe macht dumm, meine Gute, sagte sie sich, während sie energisch einen Arm nach dem anderen ins Wasser stieß, als skandierte sie eine offensichtliche Tatsache. Vergiss das nicht. Okay, du bist allein, okay, du hast das Alleinsein satt, okay, du hättest gerne eine Beziehung, einen schöne Liebesgeschichte, aber vergiss nicht: Liebe macht dumm. Punkt, aus, Ende. Und dich ganz besonders. Du hast beim besten Willen kein Händchen für die Liebe! Jedes Mal bist du nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Du hast die Gabe, immer nur an nichtsnutzige Kerle zu geraten, würde mich nicht wundern, wenn dieser Typ mit seinem Engelsgesicht geradewegs aus dem Knast kommt!
Diese Feststellung tat ihr gut, und sie schwamm eine Dreiviertelstunde, ohne noch länger an etwas zu denken: weder an den Mann in der rot karierten Jacke noch an ihren letzten Freund, der per SMS mit ihr Schluss gemacht hatte. Das war die neueste Masche. Die Männer verdrückten sich stillschweigend, beinahe wortlos. Ihnen blieben bloß noch die Daumen, um Lebewohl zu sagen. Am liebsten noch in phonetischer Schreibweise: Liv U. Sorry.
Doch im Blick des Mannes mit der rot karierten Jacke hatte sie etwas anderes zu erkennen geglaubt: Aufmerksamkeit, Fürsorge, Wärme … Sein Blick war nicht über sie hinweggeglitten, er hatte sie angeschaut.
Anschauen: den Blick auf etwas richten, betrachten, in Betracht ziehen.
Ein Auge auf jemanden haben: an jemandem Gefallen finden.
Und was bedeutete dann, zwei Augen auf jemanden zu haben? Das bedeutete, sehr viel Gefallen an jemandem zu finden.
Ohne dabei anbiedernd oder lüstern zu sein. Ein eleganter, warmer Blick. Kein flüchtiger, hingeschluderter Blick. Ein Blick, der den anderen ernst nimmt, der
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