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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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überzeugen.
    Und sie gingen hinaus und joggten um den See im Bois de Boulogne.
    Sie rannte voraus, er folgte ihr.
    Lief hinter ihr her. Langsam, kraftvoll, gleichmäßig. Er zwang sie, nicht langsamer zu werden, nicht stehen zu bleiben, nicht die Stirn an die Rinde eines Baumes zu legen, um ein Schluchzen entweichen zu lassen, das zu drängend geworden war, um es noch länger mit sich herumzutragen.
    Sie rannte eine Runde, zwei Runden, drei Runden. Sie rannte, bis ihre Arme starr wurden, bis ihr Nacken starr wurde, bis ihre Beine starr wurden, bis ihr Herz erstarrte.
    Bis sie nicht mehr länger laufen konnte.
    Dann ließ sie sich ins Gras fallen und fühlte Du Guesclins schweren Körper neben sich zu Boden sacken. Er schnaufte, er schüttelte sich, er sabberte. Er hielt den Kopf erhoben, damit nur ja niemand versuchte, sich ihnen zu nähern.
    Eine große schwarze, narbenübersäte, übel zugerichtete, schweißbedeckte Dogge wachte über sie.
    Sie schloss die Augen und ließ Tränen der Verzweiflung über ihr starres Gesicht laufen.
    Shirley betrachtete die drei grünen Äpfel, die Mandarinen, die Mandeln, die Feigen und die Haselnüsse in der großen orangefarbenen Terrakottaschüssel auf dem Küchentisch und dachte an das Frühstück, das sie nach ihrer Rückkehr von den Hampstead Ponds zu sich nehmen würde.
    Trotz der Kälte, des feinen Nieselregens und der frühen Stunde ging Shirley schwimmen.
    Dann vergaß sie. Sie vergaß, dass sie bei Joséphines Kummer wieder einmal gegen eine Wand gelaufen war. Es war jeden Morgen das Gleiche: Sie lief gegen eine Wand.
    Sie wartete den perfekten Zeitpunkt ab. Wenn Zoé zur Schule gegangen war und Joséphine allein, barfuß, ein altes Sweatshirt über den Schlafanzug gezogen, die Küche aufräumte.
    Sie wählte Joséphines Nummer.
    Sie redete, redete und legte unverrichteter Dinge wieder auf.
    Sie wusste nicht mehr, was sie noch sagen, was sie noch tun sollte, was sie sich noch ausdenken sollte. Aus lauter Ratlosigkeit begann sie zu stammeln.
    Und heute Morgen war sie schon wieder gescheitert.
    Sie nahm ihre Mütze, ihre Handschuhe, ihren Mantel, ihre Schwimmtasche – Badeanzug, Handtuch, Schwimmbrille – und den Schlüssel ihres Fahrradschlosses.
    Jeden Morgen sprang sie in das eisige Wasser der Hampstead Ponds.
    Sie stellte den Wecker auf sieben Uhr, rollte sich aus dem Bett, stellte einen Fuß vor den anderen und schimpfte dabei: »Du blöde Kuh! Bist du masochistisch veranlagt oder was?«, schob den Kopf unter den Wasserhahn, machte sich eine Tasse heißen Tee, rief Joséphine an, versuchte sich in Tricks und Spitzfindigkeiten, scheiterte, legte wieder auf, zog einen Jogginganzug, dicke Wollsocken, einen dicken Pullover und noch einen zweiten dicken Pullover an, griff nach ihrer Tasche und ging hinaus in die Kälte und den Regen.
    An diesem Morgen blieb sie vor dem Spiegel im Flur stehen.
    Zog einen Lipgloss heraus. Legte eine dünne, leicht schimmernde rosa Schicht auf. Biss sich auf die Lippen, um sie zu verteilen. Fügte einen Hauch wasserfeste Wimperntusche und eine Spur Rouge hinzu, rollte ihre weiße Wollmütze mit Zopfmuster über ihr kurzes Haar, zog ein paar blonde Strähnen darunter hervor, drehte sie um den Finger, damit sie sich lockten, und zufrieden mit dieser dezenten weiblichen Note schlug sie die Tür hinter sich zu, ging nach unten und stieg auf ihr Fahrrad.
    Ein altes Fahrrad. Verrostet. Quietschend. Laut. Ein Weihnachtsgeschenk ihres Vaters, noch in seiner Dienstwohnung im Buckingham Palace. Gary war zehn Jahre alt gewesen. Ein riesiger Weihnachtsbaum, funkelnde Kugeln, Schneeflocken aus Watte und ein rotes Fahrrad mit achtzehn Gängen und einer großen silbernen Schleife darum. Für sie.
    Früher war es leuchtend rot gewesen, mit einem großspurigen Scheinwerfer und blitzenden Chromteilen. Jetzt war es …
    Sie konnte es nicht wirklich beschreiben. Beschönigend pflegte sie zu sagen, dass es seinen alten Glanz eingebüßt hatte.
    Sie trat in die Pedale. Wieder und wieder.
    Sie wich den Autos und den Doppeldeckerbussen aus, die sie zu überfahren drohten, wenn sie in den Kurven von ihrer Spur abkamen. Bog nach rechts ab, bog nach links ab, ein einziges Ziel im Sinn: East Heath Road, Hampstead, North London. Begrüßte Oscar Wilde, folgte dem Fahrradweg bergauf und bergab. Ließ Belsize Park hinter sich, wo Byron und Keats spazieren gegangen waren, erblickte das goldene Gelb und flammende Rot der Blätter, schloss die Augen, öffnete sie wieder,

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