Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
ihn in einen gepolsterten Sessel setzt, ihm eine Tasse Tee anbietet, eine Wolke Milch, der ein Gespräch beginnt.
Es war dieser Beginn eines Gesprächs gewesen, der ihr ins Gesicht gestiegen war.
Diese Wärme, die sie seitdem im Stehen träumen ließ, die in ihr den Wunsch weckte, eins plus eins zu ergeben, ein Paar zu sein.
Das ist es! Ich habe es selbst gesagt, dachte sie, als sie sich aus dem Wasser zog und sich mit dem Handtuch trocken rubbelte. Ich möchte eins plus eins ergeben. Ich bin es leid, nur eine Eins zu sein. Eine einsame Eins, das gibt doch nach einer Weile bloß noch null, habe ich recht?
Mit wem ergab sie eins plus eins?
Mit ihrem Sohn? Immer weniger.
Und das ist auch gut so! Er hat sein Leben, seine Wohnung, seine Freunde, seine Freundin. Er hat noch keinen Beruf, aber das kommt noch … Wusste ich denn mit zwanzig schon, was ich werden wollte? Mit zwanzig stieg ich mit jedem dahergelaufenen Kerl ins Bett, trank Bier, kiffte, stolperte in die Gosse, trug schwarze Lederminis und zerrissene Strumpfhosen, steckte mir Ringe durch die Nase und … wurde schwanger!
Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen: Ich bilde mit niemandem ein Paar. Seit dem Mann in Schwarz nicht mehr.
Lieber nicht an den denken. Noch so eine Beinahekatastrophe. Also beruhige dich, meine Liebe. Übe dich in heiterer Gelassenheit, Einsamkeit, Keuschheit …
Das letzte Wort hätte sie am liebsten wieder ausgespuckt.
Als sie nach ihrer Rückkehr das Fahrrad wegstellte, dachte sie an Joséphine.
Sie ist meine große Liebe. Ich liebe sie. Aber das ist nicht die Art von Liebe, bei der man dem anderen die Arme um den Hals schlingt und zusammen aufs Bett fällt. Ich würde in Sandalen den Himalaya besteigen, um zu ihr zu kommen. Und heute bin ich traurig, weil ich ihr nicht helfen kann. Wir sind wie ein altes Liebespaar. Ein altes Paar, das sich gegenseitig belauert, das sich wünscht, der andere möge lächeln, damit man mit ihm gemeinsam lächeln kann.
Wir sind gemeinsam gewachsen. Wir haben gemeinsam gelernt. Acht Jahre gemeinsames Leben.
Ich war vor dem Mann in Schwarz nach Courbevoie, Frankreich, geflohen. Er hatte von dem Geheimnis meiner Geburt erfahren und wollte mich erpressen.
Ich hatte diesen Ort zufällig ausgewählt, indem ich mit der Spitze eines Bleistifts aufs Geratewohl auf eine Karte der Region Paris gepiekt hatte. Courbevoie. Ein großer Wohnblock mit vor Rost triefenden Balkonen. Auf rostigen Balkonen würde er mich niemals suchen kommen.
Joséphine und Antoine Cortès. Hortense und Zoé. Meine Etagennachbarn. Eine sehr französische Familie. Gary verlernte sein Englisch. Ich backte Torten, Früchtebrot, Flans und Pizzas, die ich für Firmenfeiern, Hochzeiten und Bar-Mizwas verkaufte. Ich gab vor, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich behauptete, ich sei nach Frankreich gekommen, um England zu vergessen. Joséphine glaubte mir. Und dann, eines Tages, habe ich ihr alles erzählt: von der großen Liebe meines Vaters und wer meine Mutter ist … Wie ich in den roten Fluren von Buckingham Palace aufgewachsen war, Purzelbäume auf dem dichten Teppichboden geschlagen und mich vor der Königin, meiner Mutter, verneigt hatte. Dass ich ein uneheliches Kind war, ein Bastard, der sich in den oberen Stockwerken versteckte, aber ein Kind der Liebe, fügte ich hinzu und lachte, um die Rührung zu vertreiben, die meine Worte mit feinem Dunst umhüllte. Joséphine …
Unsere gemeinsame Vergangenheit ist wie ein Fotoalbum. Ein Album voller alter Ängste, Lachkrämpfe beim Friseur, verbrannter Kuchen, dem Waschbecken eines Luxushotels, Truthähnen mit Kastanienfüllung, Filmen, die wir schluchzend anschauen, Hoffnungen und Geständnissen am Rand des Swimmingpools. Ihr kann ich alles sagen. Sie hört mir zu. Und ihr Blick ist gut, sanft, stark.
Ein bisschen wie der Blick des Mannes in der rot karierten Lammfelljacke.
Sie versetzte sich selbst einen Klaps und ging die Treppe hinauf.
In der Küche wartete Gary auf sie.
Er hatte die Schlüssel zu ihrer Wohnung und kam und ging, wie es ihm beliebte.
Einmal hatte sie ihn gefragt, denkst du nie daran, dass ich vielleicht Herrenbesuch haben könnte? Überrascht hatte er sie angesehen. Äh … nein … Tja! Aber das könnte durchaus vorkommen! Einverstanden, nächstes Mal schleiche ich auf Zehenspitzen herein! Ich weiß nicht, ob das reichen wird! Ich besuche dich nie, ohne vorher anzurufen …
Er hatte amüsiert gelächelt, als wollte er sagen, du bist meine Mutter,
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