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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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fuhr an dem grässlichen Parkplatz vorbei und … tauchte ein in das grünliche Wasser des Teichs. Das dunkle Wasser mit den langen, braunen Algen, den ins Wasser hängenden, tropfenden Zweigen, den Schwänen und Enten, die sich unter lautem Protest davonmachten, wenn man ihnen zu nahe kam …
    Vielleicht würde sie ihn ja sehen, bevor sie ins Wasser sprang.
    Den Mann auf dem Fahrrad, der am frühen Morgen in den eiskalten Teichen schwamm. Sie waren einander in der Woche zuvor zum ersten Mal begegnet. Shirleys Bremsen hatten auf der abschüssigen Strecke vom Parliament Hill versagt, und sie war in vollem Tempo in ihn hineingefahren.
    »Tut mir leid«, hatte sie gesagt und die Mütze hochgeschoben, die ihr die Sicht nahm.
    Sie rieb sich das Kinn. Beim Zusammenstoß war ihr Gesicht auf die Schulter des Mannes geknallt.
    Er hatte einen Fuß auf den Boden gestellt und ihr Fahrrad gemustert. Sie sah nur eine Mütze, die der ihren glich, einen breiten Rücken in einer rot karierten Lammfelljacke, der sich über das Vorderrad beugte, und zwei Beine in einer beigefarbenen Cordsamthose. Dicke beigefarbene, an den Knien etwas abgewetzte Rippen.
    »Es sind Ihre Bremsen. Sie sind verschlissen und haben versagt … Ist Ihnen das vorher nie aufgefallen?«
    »Das Rad ist schon alt … Ich sollte mir ein neues anschaffen!«
    »Das wäre besser …«
    Und er hatte sich wieder aufgerichtet.
    Shirleys Blick war vom ausgefransten Bremskabel zum Gesicht des Mannes hochgewandert. Dieser Mann hatte ein gutes Gesicht. Ein gutes, warmherziges, freundliches Gesicht mit einer … einer … Sie zwang sich, die exakten Begriffe zu suchen, um den Wirbelsturm zu beruhigen, der sich in ihr erhob. Alarm! Alarm! Sturm der Windstärke sieben!, flüsterte eine leise Stimme. Ein sanftes, starkes Gesicht, erfüllt von einer inneren Kraft, einer offenkundigen Kraft, ohne jede Spielerei. Ein gutes Gesicht mit einem breiten Lächeln, einem kräftigen Kiefer und lachenden Augen. Dichtes, mittelbraunes Haar, das in wirren Strähnen unter der Mütze hervorquoll. Es gelang ihr nicht, den Blick vom Gesicht dieses Mannes abzuwenden. Er wirkte wie … wie … wie ein König, der eine für andere vollkommen wertlose, für ihn jedoch ungemein bedeutsame Beute in seinem Besitz hatte. Ja, das war’s: Er wirkte wie ein bescheidener, heiterer König.
    Sie blieb einfach stehen und starrte ihn an, und dabei musste sie wohl besonders einfältig aussehen, denn er lachte leise und fügte hinzu: »Wenn ich Sie wäre, würde ich zu Fuß nach Hause gehen … und das Fahrrad schieben. Sonst war das nicht Ihr letzter Unfall für heute …«
    Und als sie nicht antwortete, als sie ihm weiter unverwandt in die Augen sah und versuchte, sich von diesem so sanften und gleichzeitig so starken Blick zu lösen, der sie vollkommen idiotisch, vollkommen stumm werden ließ, hatte er hinzugefügt: »Äh … kennen wir uns?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Oliver Boone«, hatte er gesagt und ihr seine Hand entgegengestreckt. Lange, schmale, beinahe zarte Finger. Künstlerfinger.
    Sie schämte sich, dass sie ihn gezwungen hatte, an ihrem Bremskabel herumzufummeln.
    »Shirley Ward.«
    Er hatte einen festen Händedruck, und um ein Haar hätte sie aufgeschrien.
    Sie hatte gelacht. Das leise, dümmliche Lachen eines Mädchens, das sich verzweifelt bemühte, das Ansehen wiederzuerobern, das es innerhalb kürzester Zeit verspielt hatte.
    »Tja … also dann, danke.«
    »Keine Ursache. Aber passen Sie in Zukunft besser auf …«
    »Versprochen.«
    Sie war wieder auf ihr Fahrrad gestiegen und ganz langsam zum Teich geradelt, die Füße immer dicht über dem Boden, um im Notfall bremsen zu können.
    Am Eingang zum Teich hing ein Schild mit der Aufschrift:
    No dogs
    No cycles
    No radios
    No drowning
    Die letzte Zeile versetzte sie jedes Mal in Heiterkeit. Ertrinken verboten! Das war es, was ihr in ihrem französischen Exil womöglich am meisten gefehlt hatte: der englische Humor. Über die französischen Witze konnte sie einfach nicht lachen, und jedes Mal sagte sie sich, dass sie nun einmal definitiv Engländerin war.
    Sie kettete ihr Fahrrad an den Holzzaun und drehte sich um.
    Er war gerade dabei, das seine ein Stück weiter entfernt anzuschließen.
    Sie saß in der Tinte.
    Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, ihn zu verfolgen, aber sie konnte nicht umhin, festzustellen, dass sie beide das gleiche Ziel hatten. Sie nahm ihre Badetasche, hielt sie in die Höhe und rief: »Gehen Sie auch

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