Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
Madame Boisson schütteln den Kopf und behaupten, Frankreich stehe am Abgrund, alles gehe den Bach runter, und der Platz einer Frau sei ganz sicher nicht in einem Büro! Wer soll sich denn dann um die Kinder kümmern?
Ihr Kleiner Mann hat keine Ähnlichkeit mit Monsieur Boisson.
Mit jedem Tag entfernt er sich weiter von ihm. Er entwickelt neue Eigenschaften und wächst. Joséphine macht ihn weicher, verleiht ihm Anflüge von Mut, eine aufrichtige Neugier, die großherzige Natur eines Jungen, der lernen möchte. Er bereitet sich nicht mehr auf die Aufnahme an der École Polytechnique vor, sondern studiert Geschichte … Sie überträgt ihre eigenen Ängste auf ihn, ihren Minderwertigkeitskomplex, ihre unbeholfene Art. Er errötet wie sie, gerät leicht aus der Fassung, beginnt zu stottern.
Neben dem Kleinen Mann in der linken Ecke der Bühne steht Geneviève. Joséphine mag Geneviève sehr. Sie blättert in Modes et Travaux , um sie einzukleiden, zieht an ihrem krausen Haar, um ihr eine Frisur zu schenken, dreht ihr Lockenwickler ein, epiliert ihren Damenbart, erfindet für sie einen Gang … Aber Geneviève bleibt schüchtern, linkisch, zurückhaltend.
Auf der rechten Seite der Bühne Cary Grant und sein Umfeld. Seine Eltern. Sein Vater, der im Pub trinkt und herumgrölt, den Mädchen auf den Hintern schlägt, ein rotgesichtiger, brutaler Mann, der einen starken Ammoniakgeruch verströmt, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kommt, und dessen Finger von den Chemikalien, mit denen er zu tun hat, ganz zerfressen sind … Seine Mutter, zart, kultiviert, mit einem raschelnden Spitzenkragen und langen, schlanken Händen, die sich darüber beklagt, dass am Ende des Monats kein Geld mehr da ist, und einen Schal mit Kaschmirdruck vor der Brust zusammenzieht. Sie klaubt Münzen zusammen, um ihrem Sohn Klavierstunden zu bezahlen und einen Gentleman aus ihm zu machen. Sie lehrt ihn gute Manieren. Sein Vater bringt ihm das Fluchen bei. Wenn seine Eltern sich abends streiten, verkriecht sich der kleine Cary unter dem Tisch und hält sich die Ohren zu, um sie nicht zu hören. Er redet sich ein, es sei seine Schuld. Er sei der Grund für ihre ständigen Auseinandersetzungen. Und wenn sein Vater abends nicht nach Hause kommt, glaubt er, er sei tot, und weint in seinem Bett … Er ist hin und her gerissen zwischen den Träumen seiner Mutter und den anfeuernden Rufen seines Vaters, der ihn zwingt, sich in den Pubs zu prügeln, damit ein Mann aus ihm wird, ein richtiger Mann. Er weiß nicht mehr, wer er ist. Er ist bereits gespalten … Joséphine fügt den Nieselregen in den Straßen von Bristol hinzu, die Hafenkais, wo er abends spazieren geht, um zu sehen, wie die Schiffe in Richtung Meer auslaufen, er träumt von Amerika und sieht manchmal berühmte Passagiere an Bord gehen. Eines Abends begegnet er Douglas Fairbanks, der sich nach Hollywood einschifft …
Irgendwann wird er auch Filme drehen …
Joséphine hatte vier schwarze Moleskine-Notizbücher gekauft. Jedes mit zweihundertvierzig weißen Seiten. Eines für Cary Grant, eines für den Kleinen Mann, eines für die Nebenfiguren und das letzte für Sonstiges. Sie hatte auch alle Bücher gekauft, die je über Cary Grant erschienen waren. Mit gelbem Textmarker unterstrich sie Details, die sie verwenden könnte, mit grünem Textmarker die Worte des Schauspielers, die sie übernehmen wollte, mit rosa Textmarker die biografischen Stationen, die sie beibehalten musste. Sie legte Karteikarten an, überprüfte, ordnete … Stundenlang schloss sie sich in ihrem Zimmer ein und arbeitete.
Ihr Arbeitszimmer glich einer Schreinerwerkstatt. Alles Werkzeug lag an seinem Platz: Computer, Karteikarten, Papier, Notizbücher, Kulis und Bleistifte, Hefter, Spitzer, Radiergummis, Schere, Fotos und ein Radio, das auf TSF Jazz eingestellt war.
Die Musik war für Du Guesclin, der zusammengerollt unter dem Schreibtisch lag, den Kopf auf ihre Füße gebettet. Wenn das Telefon klingelte, hob er, verärgert über die Störung, den Kopf …
Die Figuren entwickelten sich, und Stück für Stück nahm die Geschichte Gestalt an.
Sie brauchte Geduld, musste warten, bis sich alles zusammenfügte, durfte nichts überstürzen. Musste die Stille oder das, was sie für die Stille hielt, ihr Werk verrichten und die Lücken ausfüllen lassen. Manchmal wurde sie ungeduldig … Aber bald würde alles bereit sein. Bald wären Figuren vollendet, von Kopf bis Fuß eingekleidet, die Räume eingerichtet, dann
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