Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
Porreetarte sei versalzen …
Alexandre fragte, ob jemand etwas von Dottie gehört habe und warum sie überhaupt ausgezogen sei. Er vermisse sie …
Philippe antwortete, dass sie einen Job gefunden habe, und das sei auch sehr gut so, gib mir bitte ein Stück Brot, Alex!
Dann war er also gar nicht richtig verliebt, dachte Alexandre und beobachtete seinen Vater, er sieht ja nicht mal traurig aus … Er wirkt sogar fröhlicher als vorher. Vielleicht war ihm ihre Anwesenheit lästig. Vielleicht ist er in eine andere verliebt … Wie ich. Ich habe jeden Tag eine andere Freundin, ich schaffe es einfach nicht, nur eine zu lieben. Ja, schon, aber er ist älter als ich, er sollte mittlerweile wissen, was er will … Weiß man genau, was man will, wenn man alt wird, oder muss man warten, bis man im Sterben liegt, um das zu wissen? Wann werde ich wissen, dass ich jemanden wirklich und für immer liebe? Soll ich Salika anlügen, wenn sie mich fragt, ob ich sie liebe? Und sieht man es einem an, wenn man lügt? Sieht man dann aus wie einer dieser Gebrauchtwagenhändler im Fernsehen? Aber jetzt wirkte sein Vater glücklich, und das war ja schließlich das Wichtigste. Dottie war eines Tages mit jener überschwänglichen Fröhlichkeit ausgezogen, die doch traurig wirkt, weil sie so gezwungen ist. Sie hatte ihren kleinen rosa-violetten Koffer genommen, ihnen viel Glück gewünscht und dabei den Koffergriff geknetet und mit den Anhängern gespielt. Er mochte Dottie. Sie hatte ihm beigebracht, wie man Backgammon spielt und heimlich Orangensaft mit einem Schuss Wodka trinkt …
Und dann, eines Abends, redete Becca.
Sie wartete, bis sie und Philippe allein im Wohnzimmer waren. Die hohen Fenster waren zum Park hin geöffnet. Die Nacht war mild und ruhig. Philippe hatte ein Abendessen abgesagt. Er hatte keine Lust auszugehen.
»Ich gehe nicht mehr gern aus. Ich verspüre immer weniger den Wunsch, andere Leute zu sehen … Ist das schlimm, Doktor Becca? Werde ich als alter Trottel enden?«
Becca hatte eine verschmitzte Miene aufgesetzt und gesagt, dass ihr das sehr gelegen komme. Ihr Projekt war ausgereift, jetzt konnte sie darüber sprechen.
»Ich bin fündig geworden … Im Nordosten von London … Eine kleine Kirche mit leer stehendem Nebengebäude … Der Pfarrer hat eingewilligt, uns die Räume zu überlassen … Ich habe lange gesucht. Ich wollte eine Gegend finden, in der es sich auch wirklich lohnt, eine Unterkunft zu eröffnen.«
»Und was genau planen Sie?«
»Ein Obdachlosenheim für alleinstehende Frauen. Sie leiden am meisten da draußen auf der Straße. Wenn sie jung sind, werden sie geschlagen, bestohlen und vergewaltigt. Wenn sie alt sind, werden sie verprügelt. Man schlägt ihnen die Zähne aus. Sie können sich nicht wehren … Wir werden mit etwa fünfzehn Betten anfangen, und wenn alles gut geht, bauen wir den Platz weiter aus … Und wir werden Essen ausgeben. Ein warmes Mittagessen und ein warmes Abendessen. Aber gutes Essen, nicht diesen schlabbrigen, geschmacklosen Fraß, den sie einem sonst auf Pappteller klatschen. Ich möchte, dass es frisches Obst und Gemüse gibt. Richtiges Fleisch, kein verdorbenes … Ich möchte, dass die Leute am Tisch bedient werden, sie sollen nicht anstehen wie Nummern. Ich möchte weiße Tischdecken haben. In meinem Kopf habe ich alles schon vorbereitet. Hören Sie mir überhaupt zu?«
»Ja, Becca, ich höre«, sagte Philippe lächelnd.
Becca ereiferte sich immer mehr, sie breitete ihr Vorhaben aus wie ein Dombaumeister die Pläne der Kreuzrippen, der Lehrgerüste, der Pfeiler, der Mittel- und Seitengänge.
»Ich möchte einen Ort schaffen, wo sich die obdachlosen Frauen geborgen fühlen. Eine Art Zuhause. Kein kaltes, anonymes Heim, wo man jeden Abend das Zimmer und das Bett wechselt … Ich will auch nicht, dass sie in ein Reservat gesteckt werden, als wären sie exotische Tiere. Ich möchte, dass sie die Gelegenheit haben, sogenannte … ›normale‹ Frauen zu treffen.«
Sie stockte kurz bei dem Wort »normal« und verstummte.
»Reden Sie weiter, Becca«, ermunterte sie Philippe.
»Ich wünsche mir einen Austausch mit diesen Frauen. Und dass es nicht bei reiner Wohltätigkeit bleibt … Sie sollen dort Kurse besuchen können, malen und zeichnen lernen, tanzen, töpfern, Klavier spielen, Yoga, kochen. Mir hat das Kochen sehr geholfen … Und sie sollen für ihre Arbeit belohnt werden, wenn sie etwas herstellen. Man könnte sie zum Beispiel für das Essen bezahlen
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