Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
Auktionen brechen sämtliche Rekorde. Die Kunst ist zum Zufluchtswert eines Milieus geworden, das sich von der realen Welt vollkommen gelöst hat.«
»Aber können sich die Künstler denn nicht dagegen wehren? Dagegen protestieren?«
»Einige berühmte Künstler haben mittlerweile angefangen, in großen Mengen zu produzieren, um die Nachfrage zu befriedigen. Richard Prince zum Beispiel, kennen Sie den?«
Becca schüttelte den Kopf.
»Ich habe keine Ahnung von moderner Kunst.«
»Ein Nurse Painting von Richard Prince, das 2004 für sechzigtausend Dollar verkauft wurde, hat im Mai 2008 bei Sotheby’s in New York neun Millionen Dollar eingebracht! Daraufhin hat Richard Prince begonnen, Fließbandarbeit abzuliefern. Seine Werke sind einfallsloser, stereotyper geworden. Viele berühmte Künstler haben es ihm gleichgetan, auf Kosten von Kreativität und Qualität … Und gleichzeitig geraten die Galerien, die sich tatsächlich bemühen, junge Künstler zu entdecken, ins Schlingern. Ihnen geht das Geld aus …«
»Ihr Traum ist davongeflogen … Mit all diesen Dollars …«
»Ja. Ein Traum, der nur aus Dollars besteht, ist ein Albtraum … Als Kind habe ich davon geträumt, in ein Gemälde einzutauchen, als Erwachsener träume ich davon, daraus wieder herauszukommen …«
Und er erzählte ihr von seiner ersten aufwühlenden Begegnung mit einem Gemälde von Caravaggio in Rom.
Becca hörte ihm zu und sammelte die Scherben seines zerbrochenen Traums ein.
Sie zeigte Philippe die Kirche und das daran angrenzende kleine Gebäude am Murray Grove. Ein rotes Backsteinensemble, umgeben von einem Garten und zwei großen Platanen. Die Räume waren weitläufig, Kreuzgewölbe bildeten die Decken, der Boden war mit großen, hellen Steinplatten ausgelegt.
In dem großen, leeren Bau stellte sie sich die Küche vor, die Zimmer, die Duschen, den Speisesaal, das Fernsehzimmer, Bücherregale, den Platz für das Klavier, Vorhänge … Sie öffnete Türen und möblierte jeden Raum mit ihren Plänen.
Pfarrer Green gesellte sich zu ihnen. Er war ein kräftiger Mann mit wachem Blick und spitzer Nase. Mit weißem Haar und ziegelrotem Gesicht. Er glich seiner Kirche. Er dankte Philippe für seine Großzügigkeit, und Philippe sagte, dass er dieses Wort nie wieder hören wolle.
Er entdeckte einen kleineren Raum im ersten Stock und beschloss, daraus sein Büro zu machen. Jemand hatte in Großbuchstaben folgenden Satz an die Wand geschrieben: »Wenn der Mensch den letzten Baum gefällt, den letzten Wassertropfen vergiftet, das letzte Tier getötet und den letzten Fisch gefangen hat, wird er erkennen, dass man Geld nicht essen kann.«
Er beschloss, den Satz an seiner Bürowand stehen zu lassen.
Auf dem Heimweg hakte sich Becca bei ihm unter und erklärte, dass sie glücklich sei.
»Ich habe meinen Platz gefunden … Es kommt mir vor, als hätte ich mein ganzes Leben lang danach gesucht. Merkwürdig, nicht? Es ist, als hätte ich all die Jahre nur gelebt, um in dieser kleinen Kirche anzukommen … Was, glauben Sie, hat das zu bedeuten?«
»Das ist ein sehr persönlicher Gedanke …«, bemerkte Philippe und drückte ihren Arm. »Nur Sie allein wissen, was in Ihnen vorgeht … Oft sagt man ja, der Weg sei das eigentliche Ziel …«
»Ich sprudle über vor Glück, und ich muss es einfach allen mitteilen …«
Er schaute sie an. Ein strahlendes Leuchten erhellte ihr Gesicht.
»Und was ist mit Ihnen?«, fragte sie. »Sind Sie glücklich?«
»Eigenartig«, entgegnete er, »diese Frage stelle ich mir gar nicht …«
Hortense kam absichtlich gut zwanzig Minuten zu spät zu ihrer Verabredung mit Chaval.
»Sechzehn Uhr bei Mariage neben der Salle Pleyel …«, hatte sie ihm am Telefon gesagt. »Du wirst mich erkennen, ich werde das schönste Mädchen der Welt sein!«
Er ist garantiert eine Viertelstunde zu früh gekommen, hat sich schon zehnmal übers Revers gestrichen, seinen Schnurrbart geglättet und sein Spiegelbild in einem kleinen Löffel geprüft wie eine eitle Frau … Nach einer halben Stunde Warten ist er so nervös, dass ich ihn um den kleinen Finger wickeln kann wie eine kaputte Sprungfeder.
Doch sie brauchte Chaval nicht zu wickeln, er zerfloss freiwillig in Schlaufen, Schleifen und Arabesken, seine Augen rollten Loopings, sein Lächeln – das verzerrte Lächeln schmerzlichen Begehrens – wand sich wie eine Wendeltreppe. Das Unglück eines Mannes färbt immer auf seine äußere Erscheinung ab, und Chaval konnte sich nicht
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