Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
nicht, und ich möchte auf gar keinen Fall so sein wie du … in dieser Hinsicht«, fügte sie hinzu, um die Heftigkeit ihrer Worte abzuschwächen.
Joséphine erbleichte. Sie hatte vergessen, wie entschlossen Hortense sein konnte. Wie sehr sie es verstand, das ganze Leben in ein überschäumendes Abenteuer zu verwandeln. Ihre Tochter marschierte mit einem Zauberstab in der Hand vorwärts, während sie selbst auf der Stelle trat wie eine arthritische Kröte.
»Du hast recht, Liebling, du wirst ausgewählt werden … Ich habe nur ein bisschen Lampenfieber deinetwegen. Das ist bei Müttern so …«
Hortense verzog das Gesicht und fragte, ob sie das Thema wechseln könnten. Das sei ihr lieber.
»Wie geht es Iphigénie?«, erkundigte sie sich und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Sie sucht einen neuen Job.«
»Sie will gehen?«
»Sie hat eher Angst, dass sie gegangen wird«, entgegnete Joséphine, erfreut über ihr Wortspiel, auf das Hortense jedoch nicht einging.
»Ach ja, wieso das denn?«
»Sie behauptet, eine andere wolle ihre Stelle haben … Morgen hat sie ein Vorstellungsgespräch in einer Arztpraxis. Sie soll dort Telefondienst machen, Termine vereinbaren, Aufgaben verteilen. Dafür ist sie wie geschaffen …«
Hortense gähnte. Ihr Interesse an Iphigénie war schon wieder erloschen.
»Mal wieder was von Henriette gehört?«
Joséphine schüttelte den Kopf.
»Ist auch besser so …«, sagte Hortense seufzend. »Da kommt ohnehin nichts Gutes bei raus!«
»Und du?«
»Nichts … Sie muss wohl anderweitig beschäftigt sein … Und sonst?«
»Ich habe einen Brief von Mylène bekommen. Sie ist immer noch in China und möchte zurück nach Frankreich … Sie hat mich gefragt, ob ich ihr helfen könne … Ich habe nicht verstanden, ob sie wollte, dass ich ihr einen Job besorge oder sie hier bei mir aufnehme …«
»Die hat ja Nerven!«
»Ich habe ihr nicht geantwortet … Ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte.«
»Das war auch richtig so! Soll sie doch in China bleiben und uns in Ruhe lassen!«
»Sie ist sicher einsam …«
»Das ist nicht dein Problem! Hast du vergessen, dass sie die Geliebte deines Mannes war? Du bist echt unglaublich!«
Hortense warf ihr einen gereizten Blick zu.
»Und die neuen Nachbarn, wie sind die?«
Joséphine wollte gerade anfangen, sie ihr zu beschreiben, als Zoé weinend in die Küche gestürmt kam.
»Maman, Maman! Ich kann mein Rezeptheft nicht finden!«
»Hast du auch überall gesucht?«
»Überall, M’man! Überall! Es ist weg …«
»Ach was … Du hast es sicher nur irgendwohin geräumt und weißt es nicht mehr.«
»Nein, ich habe überall gesucht und es nirgends gefunden! Ich hab’s satt! Aber so was von satt! Ich räume auf, und Iphigénie bringt alles wieder durcheinander!«
In Zoés tränennassen Augen spiegelte sich eine Verzweiflung, die sich durch keine Worte der Welt lindern lassen würde.
»Wir werden es schon wiederfinden, mach dir keine Sorgen …«
»Nein, wir werden es nicht wiederfinden!«, kreischte Zoé mit immer schrillerer Stimme. »Ich weiß genau, dass sie es weggeschmissen hat, sie schmeißt alles weg! Ich habe ihr hundertmal gesagt, dass sie es nicht anfassen soll, aber sie hört ja nicht auf mich! Sie behandelt mich wie ein kleines Kind … Als wäre es ein blödes Kritzelheft! Oh, Maman, das ist so schrecklich, ich glaube, ich muss sterben.«
Joséphine stand auf und beschloss, sich selbst auf die Suche zu machen.
Doch obwohl sie die Matratze anhob, das Bett verrückte, den Kleiderschrank durchwühlte, den Schreibtisch verschob, die Schultasche ausleerte, die Unterhosen und Socken durch die Luft wirbeln ließ, das schwarze Heft blieb verschwunden.
Zoé saß weinend auf dem Teppich und zupfte an ihrem Joe-Cool-T-Shirt herum.
»Ich lege es immer da hin, auf meinen Schreibtisch. Außer wenn ich es mit in die Küche nehme … Aber danach lege ich es immer wieder zurück … Du weißt, wie viel es mir bedeutet, M’man! Und jetzt ist es weg, glaub mir doch, es ist weg. Iphigénie muss es beim Putzen weggeworfen haben …«
»Nein, nicht doch! Das ist unmöglich!«
»Doch, Maman, sie ist brutal! Sie will immer alles wegwerfen!«
Ihr Schluchzen verstärkte sich. Es klang wie das Stöhnen eines sterbenden Tiers, das keuchend auf das Ende wartet.
»Bitte, Zoé, wein doch nicht! Wir werden es ganz bestimmt wiederfinden …«
»Wir werden es nicht wiederfinden, und das weißt du auch ganz genau! Ich werde in meinem ganzen
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