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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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während in ihrem Kopf immer noch die Worte Zoés Heft, Zoés Heft, Zoés Heft … widerhallten. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke: die Mülltonnen! Zoé hatte recht. Was, wenn Iphigénie, die nicht die geringste Unordnung duldete, es tatsächlich in den Müll geworfen hatte?
    Von freudiger Gewissheit erfüllt, sprang sie auf.
    Die Mülltonnen! Die Mülltonnen!
    Sie zog eine Jeans, einen dicken Pullover und Stiefel an, band ihr Haar zusammen, nahm ein Paar Gummihandschuhe und eine Taschenlampe, pfiff nach Du Guesclin und ging nach unten in den Hof.
    Sie betrat den Raum, in dem, an Haken wie Fleischstücke im Kühlraum eines Metzgers, ein knappes Dutzend Fahrräder und zwei Dreiräder hingen, und erblickte die vier schwarzen, eindrucksvollen, von Abfällen überquellenden Mülltonnen. Roch den feuchten, schimmligen Geruch. Rümpfte die Nase. Dachte an Zoé und tauchte entschlossen zwei Arme in die erste Tonne.
    Sie öffnete jede Plastiktüte und griff auf der Suche nach einem glatten, kartonierten Gegenstand in Schleimiges, Weiches, Spitzes, in Gemüseschalen, Osso-Bucco-Knochen, alte Schwämme, Kartonverpackungen und Flaschen – in diesem Haus trennt einfach niemand seinen Müll, schimpfte sie vor sich hin.
    Ihre Finger betasteten die Abfälle mit der Hingabe einer Blinden.
    Mehrmals hätte sie fast aufgegeben, so übel wurde ihr von dem betäubenden, stechenden Gestank.
    Sie wandte den Kopf ab, da sie es vorzog, nicht zu sehen, woran sie da herumfingerte, und überließ es ihren Händen, das kostbare Heft zu identifizieren. Sie schob zur Seite, sie sortierte, hin und wieder stockte sie bei einem Rechteck, das an ein Heft erinnerte, und zog es in den Lichtstrahl ihrer Taschenlampe: Es war der Deckel eines Schuhkartons oder einer Konfektschachtel. Und schon tauchte sie erneut ein in die Berge von Unrat, drehte den Kopf zur Seite, um weniger übel riechende Luft zu atmen, machte sich wieder an die Suche.
    In der dritten Tonne war sie kurz davor aufzugeben. Der Boden war glitschig, und sie hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren.
    Sie zog die Hände zurück und seufzte entmutigt.
    Wieso sollte Iphigénie das Heft weggeworfen haben?
    Sie empfand höchsten Respekt vor allem, was mit Schule zu tun hatte, und verkündete jedem, der es hören wollte, das sei die einzige Hoffnung der armen Leute. Nur wer etwas lernt, kommt weiter, Madame Cortès, sehen Sie mich an, ich habe nie eine Ausbildung gemacht, und jetzt tut es mir leid … Jedes Jahr im September band sie sorgsam die Bücher ihrer Kinder ein, klebte hübsche Etiketten darauf, zeichnete hingebungsvoll in ihrer schönsten Schrift ihre Namen darauf und beendete ihr Werk, indem sie sie mit verschiedenfarbigen Stickern kennzeichnete, je nachdem ob es sich um ein Französischbuch, ein Mathematikbuch oder ein Erdkundebuch handelte. Sie hätte niemals ein Heft weggeworfen, in das jemand etwas hineingeschrieben hatte! Niemals! Sie hätte es aufgeschlagen, hätte es, sich auf beide Ellbogen abstützend, studiert.
    Aber Zoés Kummer, ihr tränenreicher Ausbruch und ihre vor Verzweiflung hängenden Mundwinkel verboten ihr, die Suche aufzugeben.
    Sie fasste neuen Mut. Presste die Ellbogen an ihre Taille, um neuen Schwung zu sammeln. Hob einen Deckel an, fand einen Lammknochen, den sie Du Guesclin hinhielt, und begann wieder zu graben.
    Endlich traf ihre gummibehandschuhte Hand auf einen rechteckigen, harten Gegenstand. Ein Heft! Das Heft!
    Glücklich und stolz hielt sie es in die Höhe.
    Untersuchte es im Schein der Taschenlampe.
    Es war tatsächlich ein Notizheft, ein schwarzes Notizheft, aber es war nicht Zoés Heft.
    Auf dem Deckel sah sie weder Fotos noch Zeichnungen oder bunte, runde Sticker. Es war ein sehr altes Notizheft, dessen Bindung nur noch hielt, weil eine geschickte Hand sie im Laufe der Zeit mit mehreren Schichten Klebstreifen ausgebessert hatte.
    Joséphine zog die Handschuhe aus, öffnete das schwarze Heft auf der ersten Seite und las im Licht der Taschenlampe.
    »Heute, 17. November 1962, ist mein erster Arbeitstag, der erste Drehtag. Ich wurde als Laufbursche für die Dreharbeiten zum Film Charade von Stanley Donen in Paris engagiert. Ich hole Kaffee, besorge Zigaretten, erledige Anrufe. Ein Freund meines Vaters hat mir diese Stelle besorgt, als Belohnung dafür, dass ich mein Abitur mit Sehr gut bestanden habe. Ich bin nur freitagsabends und an den Wochenenden am Set, weil ich mich auf die Aufnahmeprüfung an der École Polytechnique vorbereite.

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