Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
genug Platz.«
Joséphine sah ihre Tochter ernst an.
»Bist du sicher, dass er wirklich in dieses Haus zurückkommen möchte? Nach allem, was hier passiert ist? Habt ihr darüber gesprochen?«
»Nein«, räumte Zoé ein.
»Ich halte das für keine gute Idee …«
»Aber, Maman, das würde doch bedeuten, dass er nie wieder hierherkommen wird!«
»Vielleicht …«
»Aber das geht nicht!«, rief Zoé. »Wo sollen wir uns dann treffen?«
»Hör zu, Liebes, ich weiß es nicht … Und ich habe jetzt wirklich keinen Kopf für so etwas.«
»O nein!«, schrie Zoé und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich will, dass er herkommt! Du hast Zeit für Iphigénie und findest eine Lösung für ihr Problem, und für mich bleibt nichts! Aber ich bin deine Tochter, ich bin wichtiger als Iphigénie!«
Joséphine hob den Kopf und sah zu Zoé auf. Glühende Wangen, aufstampfender Fuß, fünfzehn Jahre, ein Meter siebzig groß, wachsende Brüste, wachsende Füße und die ersten bitteren Vorwürfe einer Frau. Meine Tochter fordert ihr Recht auf einen Freund ein! Hilfe! Als ich fünfzehn war, beobachtete ich mit geröteten Wangen heimlich einen gutmütigen Tropf namens Patrick, und wenn sich unsere Blicke kreuzten, drohte mir das Herz aus der Brust zu springen. Bei der Vorstellung, ihn zu küssen, wäre ich ohnmächtig geworden, und auch nur seine Hand zu streifen, führte schnurstracks zu ehelicher Glückseligkeit.
Sie streckte die Hand nach ihrer Tochter aus und sagte: »Einverstanden. Wir fangen noch mal ganz von vorn an, ich höre …«
Zoé erzählt ihr von Gaétans unglücklicher Situation. Bei jedem Satz schlug sie mit der Faust gegen ihren Oberschenkel, um die dramatische Wirkung ihrer Worte zu steigern.
»Wo soll er denn schlafen, wenn er herkommt?«
»Na … in meinem Zimmer.«
»Du meinst, in deinem Bett …«
Zoé nickte errötend. Eine Haarsträhne hing ihr quer über die Augen und verlieh ihr einen Hauch von Wildheit.
»Nein, Zoé, nein. Du bist fünfzehn, du wirst nicht mit einem Jungen im selben Bett schlafen.«
»Aber, Maman! Alle Mädchen in meiner Klasse …«
»Bloß weil alle Mädchen in deiner Klasse etwas tun, bedeutet das noch lange nicht, dass du es auch tun musst … Nein heißt nein!«
»Aber, Maman …«
»Ich sagte Nein, Zoé, Ende der Diskussion … Du bist noch zu jung dafür, basta.«
»Aber das ist doch lächerlich! Mit fünfzehn darf ich nicht, und mit sechzehn darf ich wohl?«
»Ich habe nicht gesagt, dass du es mit sechzehn darfst …«
»Du bist total ätzend, Maman!«
»Sei doch mal ehrlich, Liebes, willst du wirklich in deinem Alter schon mit einem Jungen schlafen?«
Zoé wandte den Kopf ab und antwortete nicht.
»Zoé, schau mir in die Augen und sag mir, dass du unbedingt mit ihm schlafen willst … So etwas ist ein sehr ernstes gegenseitiges Versprechen. Das macht man nicht einfach mal nebenbei, wie sich die Zähne zu putzen oder eine Jeans zu kaufen!«
Zoé wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie wollte doch einfach nur, dass er da wäre, bei ihr, die ganze Zeit. Dass er sie in die Arme nähme, dass er ihr Worte ins Ohr flüsterte, dass er ihr Versprechen gab. Sie wollte seinen Duft richtig einatmen, nicht aus einem alten Pullover, der nach überhaupt nichts mehr roch. Mehr wusste sie nicht. Sie hatte ihn seit vier Monaten nicht gesehen. Vier Monate, in denen sie einander Mails geschrieben und auf MSN gechattet hatten. Manchmal hatten sie auch telefoniert, aber da hatte es immer lange Pausen im Gespräch gegeben. Sie kratzte sich mit einem Fuß am Schienbein, drehte eine Haarsträhne um den Finger, zog am Ärmel ihres Pullovers und stammelte: »Das ist nicht fair! Hortense durfte mit fünfzehn schon alles, und ich, ich darf überhaupt nichts!«
»Hortense hat damals auch nicht mit einem Jungen geschlafen!«
»Das glaubst du! Sie hat es hinter deinem Rücken gemacht, ohne dass du etwas davon wusstest … Sie hat dich einfach nicht um Erlaubnis gefragt! Ich frage dich um Erlaubnis, und du sagst Nein, das ist nicht fair! Ich werde ihm sagen, er soll zu Emma gehen, und dann werde ich ihn bei ihr besuchen, ohne dass du etwas davon mitkriegst!«
»Und danach?«
»Ich hab’s satt, ich hab’s so satt! Ich hab’s satt, dass mich alle wie ein kleines Kind behandeln …«
»Schläft Emma denn schon mit einem Jungen?«
»Nein … Sie hat ja auch keinen Freund! Keinen richtigen Freund. Ich will Gaétan sehen, Maman!«
Ich will Gaétan sehen, ich will Gaétan sehen …
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