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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Kugeln, noch mehr rote oder lieber weiße? Weihnachtsmusik erklang, Menüs wurden zusammengestellt, Lieder wurden gegrölt, der Tisch gedeckt, offizielle Geschenke unter den Baum gelegt, andere, geheimnisvollere, unter dem Bett, in einem Schrank, hinter den Regenschirmen versteckt, Champagnerkorken knallten an die Decke, um ein gelungenes Baiser oder eine beantwortete Scherzfrage zu feiern.
    »Warum trägt der Elefant im Zoo des Central Park grüne Socken?
    Weil die blauen in der Wäsche sind …«
    »Woran merkst du, dass ein Nilpferd in deinem Bett liegt?
    Auf seinen Schlafanzug ist ein N aufgestickt …«
    »Was ist der Unterschied zwischen einem Bäcker und einem Teppich?
    Der Bäcker muss morgens um vier aufstehen, der Teppich kann liegen bleiben!«
    Shirley hatte Cracker, Puddings, mit Süßigkeiten gefüllte Weihnachtsstrümpfe, Dosen voller Tee und eine Flasche alten Whisky mitgebracht, Gary CD s von Glenn Gould, denen sie in allergrößter Andacht lauschen mussten, und alte Zigarren, von denen er behauptete, es seien die Lieblingszigarren von Winston Churchill gewesen. Shirley lachte laut los, Joséphine riss verwundert die Augen auf, Zoé notierte konzentriert das Rezept für englischen Pudding, und Hortense spottete darüber, wie eifrig sich alle bemühten, die Bräuche jenes Festes zu befolgen, das sie schon so lange zusammen feierten. Sie bewegte sich keinen Schritt ohne ihr Handy, falls Miss Farland versuchen sollte, sie zu erreichen … und setzte jedes Mal, wenn es klingelte, eine geheimnisvolle Miene auf.
    Gary lachte sie aus. Nannte sie die grässliche Geschäftsfrau. Versteckte das Handy im Kühlschrank in einem Bund Lauchstangen, unter einem Stapel Kissen oder unter Du Guesclins Decken. Hortense schrie ihn an, er solle gefälligst mit diesen Kindereien aufhören. Gary entfernte sich hüpfend wie ein Eichhörnchen, breitbeinig, die Hände vor der Brust angewinkelt.
    »Das Eichhörnchen weiß, wo das Handy ist, es hat es als Wintervorrat versteckt, wenn es ganz allein, ohne Freunde, draußen im Wald ist … Das Eichhörnchen ist einsam, wenn es bitterkalt ist. Das Eichhörnchen ist traurig im großen Park … Vor allem montags, wenn die ganzen Leute vom Wochenende weg sind. Wenn niemand ihm mehr Erdnüsse oder Haselnüsse zuwirft, dann spuckt es in die Pfoten und wartet darauf, dass wieder Samstag wird … Oder Frühling …«
    »Und der möchte, dass ich ihn für einen Märchenprinzen halte!«, spottete Hortense.
    »Aber mein Sohn ist ein Märchenprinz!«, protestierte Shirley. »Du bist die Einzige, die das nicht merkt …«
    »Gott bewahre mich vor Märchenprinzen und Hauseichhörnchen …«
    Und sie machte sich schimpfend auf die Suche nach ihrem Handy.
    Manchmal beugte sich Gary über sie, als wollte er sie küssen, und zeichnete ihr stattdessen einen Mousse-au-chocolat-Strich auf die Stirn. Sie ging ihm an die Gurgel. Er floh und rief Sie-hat-geglaubt-ich-würde-sie-küssen-die-sind-doch-alle-gleich-die-sind-doch-alle-gleich, und sie kreischte ich hasse ihn, ich hasse ihn. Oder er legte sich aufs Sofa, hörte Das Wohltemperierte Klavier , klopfte mit seinen langen, in löchrigen Socken steckenden Füßen den Takt und erklärte ihr die Kunst von Glenn Gould. Wenn du seiner Musik lauschst, hörst du kein Klavier mehr, sondern ein ganzes Orchester. Jedes Thema wird kanonartig weitergeführt, verschwindet aus der rechten Hand, um in der linken wieder aufzutauchen, wird durch die einzelnen Töne durchdekliniert, um plötzlich in einer neuen Melodie wieder hochzukommen. Pausen verleihen dem Werk Profil und halten einen in Atem. Sein Anschlag ist nicht staccato , noch weniger legato , sondern non-le-ga-to . Jede Note ist klar von den anderen abgesetzt, keine wird dem Zufall überlassen. Das ist Kunst, Hortense, große Kunst …, während Hortense inmitten von Buntstiften zu seinen Füßen saß und einen Schaufensterentwurf auf einen großen weißen Spiralblock zeichnete. Das waren ihre Ruhepausen. Sie malte, radierte, zog einen Strich nach, erzählte von der Weihnachtsdekoration in den Schaufenstern von Hermès in der Rue du Faubourg Saint-Honoré, das hättest du sehen sollen, Gary, orientalische Farben, warm, sehr warm, nur wenige Gegenstände, Leder und Schwerter, Löwen, Tiger, Papageien, lange, drapierte Stoffbahnen, es war schön und so … einzigartig. Ich will auch etwas Schönes und Einzigartiges schaffen. Er streckte die Hand aus und streichelte ihr Haar, ich mag es, wenn du nachdenkst, sie

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