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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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die er nicht glücklich machen konnte. Sie war der Prototyp, die Erste in einer langen Reihe unglücklicher Prinzessinnen. Und wer war an ihrem Unglück schuld, wer hatte es verursacht? Ted. Seine Geburt hatte ein freies Leben beendet. Seine Mutter hatte ihm oft gesagt, dass er ihr Leben ruiniert habe. Sie hatte sich freigekämpft, sie hatte an die Versprechen geglaubt, die sie sich selber gegeben hatte: Die Welt steht dir offen. Du kannst machen, was du willst. Alles ist möglich.
    «Ja, bis du Kinder hast. Aber dann kannst du es vergessen!» Ingrid hatte in England gelebt, sie hatte Wohnungen besetzt, in Punkbands gespielt, sie hatte sich jeden Tag neu erfunden. Dann war sie schwanger geworden. Nicht zum ersten Mal. Sie hatte versucht abzutreiben, das hatte sie Ted erzählt, er war noch klein gewesen, hatte es nicht verstanden. Etwas war schiefgegangen, der Arzt hatte gepfuscht, und Ted wurde geboren. Teds Vater bestand darauf, dass sie in die Schweiz zurückkehrten und ein normales Leben führten, doch das hielt Ingrid nicht lange aus. Sie floh in die Frauen-WG. Warum sie Ted mitgenommen hatte, wusste er nicht, vermutlich, weil sein Vater ihn auch nicht gewollt hatte. Ingrid hatte keinen Beruf gelernt. Sie versuchte sich mit Gitarrenstunden über Wasser zu halten, bevor sie ihre Eltern überredete, ihr eine Erbvorauszahlung zu leisten. So würde sie sich weiter ihrer Musik widmen können, dachte sie. Aber es wurde nichts daraus. Die Mütterwohngemeinschaft forderte ihren Tribut, sie musste sich nicht nur um ein Kind kümmern, sondern um viele. Nichts in Ingrids Leben entsprach mehr ihren Idealen. Keine einzige Vorstellung erfüllte sich. Sie konnte keineswegs tun, was sie wollte. Es war mitnichten alles möglich. Ein von bloßem Auge nicht sichtbarer Riss in einer dünnen Gummihaut hatte sie in die Knie gezwungen und gebrochen.
    Zähneknirschend unterwarf Ingrid sich der Konvention, als sie die WG verließ und Balthasar heiratete. Doch verziehen hatte sie Ted deshalb noch lange nicht. So sehr er sich bemühte, er konnte seine Schuld nicht wiedergutmachen. Er zappelte sich ab wie eine Fliege im Netz, doch umsonst, sie würde ihn aussaugen, die leere Hülle ausspucken, gleichgültig.
    Hobbypsychologie! Er schüttelte sich. Die beiden Frauen standen immer noch auf der Türschwelle und musterten ihn herausfordernd. Tina hatte die Arme vor der Brust verschränkt, Sandra hielt sich an ihrer Mappe fest.
    «Kommt doch herein», sagte er. Die beiden Frauen schauten sich an. Das hatten sie nicht erwartet.
    «Ja, gut, wenn du meinst?» Sandra ging an ihm vorbei in die Wohnung und schaute sich neugierig um. Mehrmals hatte sie angeboten, Emma nach Hause zu bringen und hier auf ihn zu warten. Er hatte immer abgelehnt. Er wollte ihr nicht noch mehr Umstände machen. Lieber fuhr er nach der Schule den kleinen Umweg und holte Emma bei ihr ab. Jetzt fragte er sich, ob das ein Fehler war. Hätte er nachgeben sollen? Hätte er sich auf sie einlassen sollen? Irgendwie musste er auch sie enttäuscht haben. Sonst hätte sie sich nicht so radikal auf Tinas Seite geschlagen. Martina. Sandra. Was wollten diese Frauen von ihm? Sie wollten ihn verschlingen, wie die Spinne. Sie wollten, dass er ihnen gehörte. Maman hatte zwei Arten von Töchtern, aber am Ende wollten sie alle dasselbe.
    Die Frauen gingen durchs Wohnzimmer, schauten sich um, berührten die Bilder an der Wand und die Bücher im Regal. Ted fühlte sich an die Ermittlerinnen in Fernsehkrimis erinnert. Eine Bestandsaufnahme, dachte er. Er scheuchte sie in die Küche.
    «Wollt ihr einen Kaffee?» Er nahm zwei Schachteln Kekse aus einer Schublade und legte sie auf den Tisch. «Setzt euch doch.»
    «Hast du heiße Milch?», fragte Tina, und er erinnerte sich, wie heikel sie mit ihrem Milchkaffee war. Er wusste immer noch genau, wie das Verhältnis von Milch zu Kaffee sein musste, welche Farbe das fertige Getränk haben musste, er hatte es oft genug in sorgfältiger Handarbeit zubereitet, er konnte es im Schlaf. Doch jetzt hatte er eine Maschine, die ihm das abnahm.
    Tina setzte sich zuerst, Sandra zögerte, bevor sie sich neben sie setzte. Sie würden ihm also gegenübersitzen, eine geschlossene Front.
    Ted schaltete die Maschine an, die ein beruhigendes Gurgeln von sich gab, und bereitete zwei perfekte Caffè Latte im Glas zu. Er ließ sich Zeit damit. Die Frauen sprachen nicht. Angespannt saßen sie nebeneinander. Für sich machte Ted einen doppelten Espresso. Er setzte sich an

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