Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen
englischsprachige Kinderbücher und Hörbücher. «Alles andere kaufen wir in Amerika», sagte sie. «Dort ist es billiger, hat Oma gesagt.»
«Und jetzt?» Ingrid schaute Tina an, dann Ted. «Was läuft? Habt ihr euch geeinigt?»
«Ja, haben wir», sagte Ted. «Ich hab nur eine Bedingung.»
«Also doch!» Tina stand auf. «Das wäre ja auch zu schön gewesen.»
Emma kauerte ganz still auf dem Fußboden, ihre Hände hielten über dem Rucksack inne, in den sie ihre neuen Bücher packen wollte.
«Bis zu eurer Abreise bleibt Emma bei mir.»
«Pfft!» Tina schüttelte den Kopf. «Natürlich, du Depp! Erschreck mich doch nicht so!»
Ted hatte nicht gewusst, dass er Tina erschrecken konnte. Das änderte alles, oder nichts.
«Und», sagte Emma. «Und wir essen jeden Abend Pizza.»
«Sei nicht traurig, Papa», sagte Emma, als sie im Bett lag. «Wenn ich in Amerika bin, kann Lilly immer hier schlafen!»
Ted verschlug es die Sprache. Verstand er wirklich so wenig von Frauen, selbst von den Kleinsten? Er fuhr Emma über die frischgewaschenen Haare. Er hatte Conditioner gekauft. Für lockiges Haar. Die größte Flasche, die er hatte finden können. Sie wog beinahe ein Kilo.
«Amerika ist groß», sagte Emma.
«Ich weiß.»
«Und ganz weit weg.»
«Mhm.»
«Das ist blöd», sagte Emma. «Wenn Mama in Amerika ist, und du in der Schweiz, dann kann ich immer nur einen auf einmal sehen, und der andere ist ganz weit weg. Wenn es in Amerika Tag ist, ist es in der Schweiz Nacht.»
«Das stimmt.»
«Es ist blöd», sagte Emma. «Ganz blöd. Aber es geht nicht anders. Ich könnte in Amerika in die Schule gehen und in den Ferien in die Schweiz kommen. Oder ich könnte hier in die Schule gehen und in den Ferien nach Amerika … Aber ich will nicht mehr hier in die Schule gehen. Tara ist gemein zu mir. Sie sagt, ich sei ein ungewolltes Kind. Und Makimba redet auch nicht mehr mit mir. In Amerika sind die Mädchen netter, hat Mama gesagt. Da kann ich neue Freundinnen finden.»
Ted wagte kaum zu atmen. Er hatte wieder einmal nichts verstanden. Wie konnte er so blöd sein? Er legte sich neben seine Tochter. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sie hatte recht. Er kannte dieses Gefühl des Ausgeliefertseins. Er hatte ihm nichts entgegenzuhalten. Er konnte Tina nicht zwingen hierzubleiben, ebenso wenig, wie sie ihn zwingen konnte, ihr zu folgen. Sie beide würden schwören, nur das Beste für ihre Tochter zu wollen und alles für sie zu tun. Doch beide meinten sie: Innerhalb bestimmter Grenzen natürlich.
«Ich hab überlegt», sagte Emma. «Ich hab ganz fest überlegt, aber es geht einfach nicht.»
«Ich hab auch überlegt», log Ted. «Ich hab furchtbar schwer überlegt.» Er runzelte dramatisch die Stirn, Emma kicherte. «Und dann hatte ich die Lösung: Ich erfinde ein fliegendes Auto, damit kann ich dich jederzeit besuchen, und wenn es dir in Amerika nicht gefällt, hole ich dich damit ab, das dauert gar nicht so lange!»
«Papa!», kicherte Emma. «Du meinst ein Flugzeug! Das gibt es doch schon! Mama ist mit so einem gekommen!»
«Ach so! Na dann!» Ted wischte sich über die Stirn. «Dann haben wir kein Problem, Kleine. Du kannst jederzeit zurückkommen. Okay?»
Emma nickte. «Erzählst du mir noch eine Geschichte?»
«Eine Geschichte … Na gut, eine kurze. Es war einmal eine große Spinne, die hieß Avidya », sagte er. «Sie hatte vier Töchter, die hießen Asmita, Raga, Dvesha und Abhinivesha .»
«Doofe Namen», murmelte Emma.
«Ja, zugegeben, das sind doofe Namen, aber hör zu, die Spinnenkinder hatten geheime Kräfte …» Er hielt inne. Was zum Teufel tat er hier? Er sah Emma an. Sie hatte sich tief ins Kissen gekuschelt. Ihre Wangen waren gerötet, sie war eingeschlafen.
Du bist noch einmal davongekommen, dachte er.
Sandra fuhr vor, als sie gerade von ihren Fahrrädern stiegen. Ted spürte, wie Emmas kleiner Körper sich versteifte. Sie atmete flach. Sie versuchte, sich unsichtbar zu machen. Ted kannte diese Strategie. Sie funktionierte nur kurzfristig. Er nahm Emma an der Hand und zog sie zu dem knallroten Mini, der mit laufendem Motor am Straßenrand stand. Tara wollte gerade aussteigen, als sie sie sah. Sie zögerte. Ted klopfte ans Fenster. Sandra beugte sich zur Beifahrerseite herüber und öffnete das Fenster einen Spalt weit.
«Guten Morgen, Sandra und Tara», sagte Ted. «Hört mal zu, ich glaube, wir haben ein Missverständnis: Tara, ich habe gehört, du machst dir Sorgen um
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