Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen
den Tisch, riss eine der Kekspackungen auf und steckte sich eine Schokoladewaffel in den Mund. Sandra legte ihre Tasche auf den Tisch, öffnete sie und nahm eine Aktenmappe heraus. Sie schlug sie auf und nahm eine Liste heraus.
«Ich hab hier mal aufgeschrieben, wie oft ich Emma von der Schule abholen musste, seit sie bei dir lebt», sagte sie. «Du siehst, jede Woche mindestens einmal, meistens zweimal. Es ist offensichtlich, dass du der Herausforderung, neben deiner Arbeit ein Kind zu erziehen, nicht gewachsen bist.»
Ted nahm ihr die Liste aus der Hand und schaute sie an. Hatte sie ihm nicht angeboten, Emma abzuholen? War es nicht ihr Vorschlag gewesen? Sandras Augen brannten. Sie wollte ihm etwas sagen. Was? Bevor er etwas sagen konnte, mischte Tina sich ein.
«Ich möchte etwas klarstellen», sagte sie. «Es ist ein reines Entgegenkommen meinerseits, dieses Treffen. Ich habe mich erkundigt, ich habe jedes Recht, mit meiner Tochter zu leben, wo ich will. Wir waren nie verheiratet. Das Abkommen, das wir unterschrieben haben, ist vor Gericht nichts wert.»
Ted nahm sich noch eine Waffel. Tina wartete. Als er nichts sagte, fuhr sie in heftigerem Ton fort: «Dir ist schon bewusst, dass du keine Chance hättest, vor Gericht gegen mich vorzugehen? Ich habe gehört, dass du auch in der Schule Probleme bekommen hast. Du bist von der Arbeit freigestellt? Ein Schüler hat sich in deiner Obhut verletzt? Und dir soll ich meine Tochter anvertrauen? Kein Gericht der Welt würde mich dazu zwingen!»
Ted sagte immer noch nichts. In seinem Kopf überschlugen sich die Antworten. Er öffnete den Mund, nichts. Verlegen schob er eine weitere Waffel zwischen seine Lippen. In Gedanken war er noch mit Sandra beschäftigt, als Tina ihre Tirade begann. Du hast es doch angeboten, wollte er zu Sandra sagen, du hast sogar insistiert, du wolltest Emma unbedingt abholen, am liebsten jeden Tag, ich hab dich doch nicht darum gebeten. Und jedes Mal, wenn ich kam, um Emma abzuholen, wolltest du mir noch Kaffee anbieten, ein Glas Wein, ich habe immer nein gesagt, ich wollte mit Emma nach Hause, war das mein Fehler? Hättest du dich mit Tina solidarisiert, wenn ich bei dir geblieben wäre? Und was schaust du mich an, was willst du mir sagen: Dass ich immer noch eine Chance hätte, wenn ich nur endlich nachgeben würde?
Doch da hatte Tina schon angefangen zu sprechen, und bevor er sagen konnte, das Abkommen sei sehr wohl eine verbindliche Abmachung zwischen ihnen, auch wenn sie einem Sorgerechtsverfahren vor Gericht nicht standhalten würde, aber doch, es war notariell beglaubigt, es bedeutete nicht nichts. Wie kommst du überhaupt darauf, dass ich vor Gericht gehen will, wollte er sagen, du hast doch damit angefangen, nicht ich, und wenn wir schon dabei sind, wie meinst du das, «anvertrauen», hast du Emma nicht als Notfall bei mir abgeladen? Hast du nicht gesagt, es sei die Chance deines Lebens und ich solle sie dir nicht kaputtmachen? Du wolltest sie doch gar nicht mitnehmen, du konntest sie nicht mitnehmen, und außerdem, sie ist nicht deine Tochter, sie ist meine, unsere … Aber ein Wir gibt es nicht, das willst du doch sagen?
«Ich habe mit Anna gesprochen», sagte Sandra jetzt. «Ich habe sie angerufen, sobald ich von dem Unfall erfuhr. Hast du im Ernst geglaubt, du kämst mit so was durch? Ich steh vor der Schule, will die Mädchen abholen, da kommt so ein dicker Kerl und sagt, er sei hier, um Emma abzuholen! Als ob man ein kleines Mädchen einfach mit einem hergelaufenen Typen ziehen lässt! Männer! Ihr habt einfach keine Ahnung, aber ihr meint, ihr könnt es besser als wir, ihr könnt uns auch noch die Kindererziehung wegnehmen, so weit kommt’s noch!»
«Der gute Tobias», sagte Tina gehässig. «Dein einziger Freund. Ist wohl immer noch nicht Vater geworden. Das heißt aber noch lange nicht, dass er sich meine Tochter schnappen darf.»
«Ich bin natürlich dazwischen, ich habe gesagt, so geht das nicht, ich hole Emma ab, wie jeden Donnerstag, aber ihre Klassenlehrerin war bereits informiert, sie sagte, du hättest sie selber angerufen. Ein Notfall, sagte sie. Aber mich anzurufen hattest du keine Zeit! Ich hätte an dem Nachmittag mit Tara schwimmen gehen können, wenn ich gewusst hätte, dass Emma nicht zu uns kommt!»
«Wie dem auch sei», unterbrach Tina. «Wir haben uns mit Anna kurzgeschlossen und unsere Informationen zusammengelegt. Wenn es zu einem Rechtsstreit kommt, ist sie auf unserer Seite. Du hast keine Chance. Du
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