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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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nicht gehört, was Nevada gesagt hat? Du machst zu viel. Du übertreibst!»
    Marie fühlte sich verraten. War Nevada nicht ihre Lehrerin? Müsste sie nicht wissen, wie unangenehm es Marie war, dass Gion sich nun in diesen einen Bereich hineindrängte, der Marie ganz allein gehörte?
    Wie idiotisch klingt das denn! Marie wies sich selber zurecht. Dein Leben ist von Gion unabhängig. Im Spital bist du Frau Dr. Leibundgut. Dort interessiert sich niemand für Gion, wenigstens die Patienten nicht, jedenfalls nicht, solange sie dich brauchen! – Ja, aber er ist Dr. Marc Santana! Wenn die Patienten die Wahl hätten zwischen ihm und dir … und hat er dir nicht schon vorgehalten, deine Operationstechnik sei veraltet, im Vorstadtspital würden sie diesen oder jenen Eingriff nur noch laparoskopisch durchführen? – Und wenn schon! Tatsache ist, dass sich eure Berufsleben nicht berühren. Was sollt ihr denn sonst miteinander teilen, wenn nicht ein Hobby? Andere Frauen wären froh, wenn ihr Mann mit ihnen ins Yoga käme! Und überhaupt, sei doch mal realistisch: Willst du ihn wirklich allein ins Yogastudio schicken? Dieser Horde Weiber ausliefern?
    Als sie sich wieder in den Sonnengruß einreihte, tropfte Schweiß von Gions Stirn auf ihren Handrücken. Sie zog die Hand zurück. Wischte sie an ihrem T-Shirt ab. Demonstrativ. Doch niemand bemerkte es, am allerwenigsten Gion.
    Nach der Stunde wurde er so lange von Verehrerinnen belagert, dass die Schüler der anschließenden Stunde im Empfangsbereich warten mussten, bis alle Matten zusammengerollt und weggeräumt waren. Nadine stand mit dem großen Bodenwischer im Eingang und hörte gebannt zu. Schließlich stand Gion auf.
    «Sorry, sorry!», rief er und lachte verlegen, charmant. «Wir halten hier den ganzen Betrieb auf!»
    «Ist doch kein Thema», murmelte Nadine, auf ihren Besen gestützt.
    «Ich muss jetzt ohnehin was essen, warum reden wir nicht unten in der Bar weiter?»
    Und dann saßen sie an einem großen runden Tisch mitten im Lokal, tranken Chai und aßen knusprig gebratene Tofuwürfel. Gion hielt Hof. Gebannt hörten die Frauen zu, wie er eine nach der anderen jede einzelne Stellung beschrieb, die sie in der Stunde ausgeführt hatten, wie sie sich für ihn angefühlt hatte, was dabei in ihm vorgegangen war.
    «Als ich in den Handstand ging, spüre ich regelrecht die Kraft, die vom Boden durch meine Handflächen in meine Arme und Schultern aufsteigt», sagte er. «Ist schon krass. Den Handstand hab ich zuletzt gemacht, als ich ein kleiner Junge war. Aber mein Körper wusste sofort wieder, was er tun musste. Es war alles wieder da.»
    «Unglaublich», sagten die Frauen. «Toll.»
    «Ich glaube, ich habe eine natürliche Affinität zu Yoga. Würdet ihr glauben, dass das meine erste Stunde war? Überhaupt? In meinem ganzen Leben?»
    «Unglaublich.»
    «Nicht zu fassen.»
    «Das berührt mich jetzt sehr.» Die Frauen raunten wie ein griechischer Chor.
    Und was ist mit der Yogalehrerin auf dem Set, dachte Marie, zählt die nicht? Sie sagte aber nichts. Stattdessen stand sie auf und ging zur Kaffeetheke. Sie holte sich einen doppelten Espresso und ein Stück Schokoladekuchen, aus reinem Trotz. Sie hatte keinen Hunger, und der bittere Geruch des Kaffees verursachte ihr Übelkeit. Als sie an den Tisch zurückkam, war ihr Platz besetzt. Ihr Platz neben Gion.
    «Oh, entschuldige, hast du etwa hier gesessen?»
    «Schon gut.» Sie zog einen Stuhl vom Nebentisch dazu, setzte sich sozusagen in die zweite Reihe. Sie musste ihren Teller, ihre Tasse auf den Knien balancieren, weil sie zu weit vom Tisch entfernt saß.
    Gion erzählte gerade, dass er ein Jahresabonnement gelöst hatte, das ihm erlaubte, eine unbegrenzte Anzahl von Stunden zu besuchen. Er fand bereits jetzt, eine Lektion pro Tag sei ihm nicht genug, er würde in Zukunft morgens und abends ins Studio kommen.
    «Versuch mal Candle Light Yoga am Sonntagabend bei Kira. Ich schwör dir, danach fühlst du dich wie neugeboren. Und die Woche liegt vor dir wie ein endlos weiter Strand.»
    «Klingt gut», sagte Gion. «Dann seh ich dich also dort?»
     
Ted
     
    «Wo lernt man heutzutage Frauen kennen? Klar. Im Yoga. Dass ich darauf nicht selber gekommen bin!» Tobias bestellte sich noch ein Bier.
    «Das war noch nie mein Problem. Frauen kennenzulernen.»
    Ted war Primarlehrer. Die Kolleginnen im Lehrerzimmer, die Mütter am Elternabend, Frauen, wo er hinsah. Von morgens früh bis abends spät: Frauen. Ted dachte an Kevin, der sich

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