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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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seitlichen Stütze auf einem Bein und einer Hand, balancieren, so lange, bis der Raum von keuchendem Atem erfüllt war. Und wenn der Letzte dachte: Spinnt die eigentlich, wie lange soll ich eigentlich noch aushalten?, schaltete sich Nevada ein.
    « Vasisthasana – ja, was ist das?», fragte sie dann und sprach aus, was in allen Köpfen kreiste: «Was soll das? Warum tun wir das? Wir üben, in einer unbequemen Situation auszuharren. Still zu sitzen und einfach weiterzuatmen. Hab ich gesagt sitzen? Gute Idee. Setzt euch hin.»
    Erleichtert kauerten sich die Schüler in der Stellung des Kindes zusammen, einer Ruhestellung, die Nevada selber nicht mochte, weil sie, mit dem Gesicht auf den Knien, in bodenlose Dunkelheit fiel. Dunkelheit, die sie verschlucken würde, wenn sie sich nicht bewegte, wenn sie den Kopf nicht hob, das Kinn nicht reckte, den Blick nicht tapfer nach oben richtete, nach vorn.
    «Warum tun wir das?», fragte sie noch einmal. «Es gibt im Yoga nichts zu erreichen. Es geht nicht um Kraft und Beweglichkeit. Es geht nicht darum, dass ihr vor euren Freunden damit angeben könnt, wie gelenkig ihr seid, wie stark, wie lange ihr auf dem Kopf stehen könnt oder, noch schlimmer, auf einer Hand und einem Bein!»
    Schüchternes Kichern stieg aus vereinzelten zusammengerollten Menschenhäufchen auf.
    « Yogasana , die Körperübungen, die wir hier ausführen, dienen nur der Vorbereitung zur Meditation. Yoga ist das Stillwerden der Bewegungen des Geistes. O Gott, wie lange soll das noch dauern, das halt ich nicht aus, warum kann ich das nicht besser, warum bin ich nicht so gut wie die da, die schräg vor mir steht, oder wenigstens so dünn, und wo hat sie wohl diese schicken Yogapants gekauft …»
    Das Kichern wurde lauter. Erleichtertes Seufzen, zustimmendes Brummen. Das war ihr Applaus. Sie fuhr fort: «Es geht nicht darum, wie lang ihr in dieser Stellung bleiben könnt. Es geht darum, ob ihr die Bewegungen des Geistes zum Stillstand bringen könnt. Ob ihr steht oder sitzt oder liegt. Dann macht ihr Yoga. Dann seid ihr im Zustand von Yoga.»
    Nevada kannte nichts anderes als Yoga. Sie wusste nichts anderes. Sie kannte niemanden, der kein Yoga machte – abgesehen von ihrer Mutter und ihrer Schwester natürlich, aber wie oft sah sie die schon? Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal ein Gespräch geführt hatte, in dem es nicht um Yoga ging. Wenn sie jetzt ausgeschlossen wurde aus dieser Welt, dann hatte sie nichts mehr.
    Sie hatte Lakshmis E-Mail so oft gelesen, dass sie es auswendig kannte. Das ist doch idiotisch, dachte sie, Lakshmi wohnt gleich nebenan, warum klopf ich nicht an ihre Tür und frag sie, was eigentlich los ist? Sie tat es nicht. Sie hatten nicht mehr miteinander gesprochen, seit Nevada das Curryhuhn verschmäht hatte.
    Mit Lakshmi würde sie nicht nur eine Freundin, eine Arbeitgeberin, eine Vermieterin verlieren, sondern auch die Möglichkeit, nachts aufzustehen und aufs Klo zu gehen. Lakshmi ließ sie das Gästeklo in ihrem Loft benutzen. Nicht dass Nevada das oft in Anspruch nahm. Sie stand sehr früh auf und benutzte die Dusche und die Toilette im Studio. Nach ihren Übungen ging sie nach unten in die Bar und trank einen Grüntee, aß ein Tofu-Omelett oder eine Miso-Suppe. Nevadas ganzes Leben fand hier statt, im Studio und in den Stockwerken darüber und darunter.
    Das war ihr Dharma , ihre Bestimmung. In Indien, bei dem Lehrer, den Lakshmi für sie gefunden hatte, hatte Nevada zum ersten Mal gehört, dass Yoga mehr war als eine Abfolge von Körperübungen, die es möglichst perfekt auszuführen galt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Nevada Yoga als etwas gesehen, in dem sie gut genug werden musste. Dessen sie sich würdig erweisen musste. Wenn sie nur hart genug und lange genug übte, wenn sie erst alle neunhundertacht Stellungen auf dem berühmten Yogaplakat beherrschte, dann … dann … dann würde irgendetwas geschehen. Dann würde sie erlöst. Dann würde die Sonne in ihrem Bauch aufgehen und sie von innen erleuchten, sie mit Gold auskleiden, und alles wäre gut.
    «Nicht so», sagte ihr Lehrer. «Yoga ist kein Ziel. Yoga ist Mittel zum Zweck. Yoga ist der Zustand, in dem der Geist klar und ausgerichtet ist, der Zustand, in dem man fähig ist, das zu tun, wofür man da ist.»
    «Und wofür sind wir da?», fragte Lakshmi, die sich als Einzige traute, den Guru mit Fragen zu unterbrechen.
    «In der yogischen Lehre hat jeder Mensch sein eigenes Dharma », sagte er. «Die Veden nennen das

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