Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
Vom Netzwerk:
Tatsache. Emma, die ernsthafte, kaum sechsjährige Emma sagte: «Alles außer dem Kühlschrank!»
    Emma würde länger bleiben. Mindestens bis es schneite. Bis zum Skiurlaub. Oder bis Tina zurückkam. Auf dem Beifahrersitz saß ein Mann. Er trug einen schneeweißen Kapuzenpullover, eine Baseballkappe, den Schirm nach hinten gedreht. Sein Kopf wippte vor und zurück. Wie eine Schildkröte, dachte Ted gehässig. Der Mann sah, dass Ted ihn beobachtete, nahm die Stöpsel aus den Ohren und hob eine mit schweren Ringen bestückte Hand. Ted drehte sich um.
    «Wer ist denn das?», fragte er. Wo hat Emma gesessen?, wollte er eigentlich fragen. Ihr seid immerhin über die Autobahn gefahren, lag sie hinten zwischen den Taschen, nicht angeschnallt? Was, wenn ihr einen Unfall gebaut hättet? Stattdessen fragte er nach dem Mann, als sei der wichtiger als seine Tochter.
    «Das ist mein Produzent», sagte Tina, und zum ersten Mal seit langem, länger, als Ted zurückdenken konnte, hörte er einen hoffnungsvollen Ton in ihrer Stimme. Einen Ton, den er nur ganz zu Anfang ihrer Beziehung gehört hatte. Unerwartet.
    «Dein Produzent, so.»
    Tina schleppte zwei weitere Papiertragetaschen voller Kinderbücher die Treppe zu Teds Wohnung hinauf. Emma folgte mit ihrem Schulsack. Sie besuchte die einzige Tagesschule im Schulbezirk. Ted würde sie hinbringen müssen, wie, das wusste er noch nicht, vielleicht mit dem Fahrrad? Es gab so vieles, das er noch nicht wusste.
    «Kannst du vielleicht mal mit anpacken», schnappte Tina. «Ich hab’s eilig. Das Flugzeug wartet schließlich nicht!»
    «Warum kann Mr Hiphop nicht helfen?», fragte Ted zurück. Er klang schon wie die Erstklässler, die er während der Pause beaufsichtigte: «Furzkopf!» – «Selber!»
    «Ist es etwa seine Tochter?», fragte Tina zurück.
    Ted konnte es ihr nicht einmal verdenken. Er sah, wie Emmas Schultern sich krümmten, und schimpfte sich einen Idioten. Dann ging er zum Auto. Der Kofferraum stand offen, er griff wahllos nach den nächstbesten Taschen.
    «Was läuft, Mann?», fragte der Produzent.
    Was läuft? Nichts, Mann, meine Tochter zieht bei mir ein, weil du mit ihrer Mutter durchbrennst … Ted riss sich zusammen. In fünf Minuten wäre das Auto ausgeladen und Tina mit ihrem Produzenten unterwegs zum Flughafen. Er würde sich nicht fragen, was sie miteinander hatten, es ging ihn nichts an, mehr noch: Es interessierte ihn nicht. Es interessierte ihn nicht mehr, er hatte jetzt Lilly. Lilly, die seine Gedanken besetzte, Lilly die er überredet hatte, nächste Woche zum Essen zu kommen und Emma kennenzulernen.
    «Wenn sie sich eingelebt hat.»
    «Ich dachte, es sei vorübergehend?»
    Das hatte er zu Lilly gesagt: vorübergehend. Sie bleibt vorübergehend bei mir.
    «Nichts Besonderes», sagte er jetzt unverbindlich zum Produzenten, aber plötzlich stieg der aus und baute sich vor ihm auf. Er sah nicht viel älter aus als die Schüler der Oberstufe, die den Pausenplatz mit der Grundstufe teilte. Und war auch ähnlich angezogen. Er streckte die Hand aus. Ted musste wohl oder übel die beiden Taschen wieder abstellen. Als er die Hand ergreifen wollte, führte der andere eine komplizierte Abfolge von Gesten aus, die damit endete, dass er mit seiner geballten Faust gegen Teds Schulter stieß und sich ihm entgegenneigte, als wollte er ihn küssen. Ted wich zurück.
    «Respekt, Mann», sagte der andere, «Respekt», und dann ging er zum Kofferraum und nahm selber zwei Taschen heraus. Sie waren größer als die von Ted, sie sahen schwerer aus. Vier rosarote Stuhlbeine ragten oben hinaus. Tina hatte ihre Wohnung untervermietet. Offenbar ohne Kinderzimmermöbel. Schweigend trugen die beiden Männer den Rest der Taschen die Treppe hinauf, dann drängte Tina zum Abschied. Sie umarmte Emma so lange, bis das Mädchen sich aus ihren Armen wand.
    «Ist schon gut, Mama», sagte sie und tätschelte ihrer Mutter fürsorglich den Rücken.
    «Ich ruf dich jeden Abend an, mein Schatz, ja? Auf dem speziellen Zaubertelefon.»
    «Das ist doch ein iPhone, Mama!»
    Tina schniefte und wandte sich ab. Der Produzent probierte noch einmal einen rituellen Händedruck an Ted aus, doch Ted lächelte nur.
    «Also dann», sagte Ted und schloss die Tür hinter ihnen. Er blieb so stehen, hinter der geschlossenen Tür, inmitten der Taschen, Tüten und Koffer. Und auch Emma stand einfach da, mit hängenden Armen, den Kopf geneigt. So lauschten sie, bis sie das Auto wegfahren hörten.
    «Also dann»,

Weitere Kostenlose Bücher