Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen
Privathaushalte. Mit dem Haus, das Poppy so unüberschaubar erschien, war sie in zweieinhalb Stunden fertig. Poppy vermutete, dass Ruth sie heimlich verachtete. Was machte sie? Den ganzen Tag? Nichts.
«Wofür brauchst du eine Putzfrau?», hatte Peter gefragt. «Du bist doch den ganzen Tag zu Hause? Ist das nicht eigentlich deine Aufgabe? Die Buben sind doch den ganzen Tag in der Schule.»
«Das stimmt nicht. Sie kommen zum Mittagessen nach Hause.»
Lukas besuchte den Kindergarten, Florian die erste Klasse. Wenn der eine das Haus verließ, kam der andere zur Tür herein.
«Trotzdem», sagte Peter. «Wolltest du nicht anfangen, Artikel für die Lokalzeitung zu schreiben? Ihnen eine Kolumne anbieten? Schreiben kannst du auch zu Hause. Am Küchentisch.» Er legte ihr einen Zeitungsartikel hin, ein Interview mit Toni Morrison, die damals gerade den Literaturnobelpreis gewonnen hatte. Toni Morrison schrieb ihre Romane am Küchentisch, während ihre Kinder die Schularbeiten machten. Nicht kleine Artikel über ein neues Restaurant in der Gegend, den geplanten Umbau der Fabrik am Fluss, eine Aufführung des Jugendtheaters, sondern Nobelpreis-Romane. Peter legte ihr auch Artikel hin, von denen er fand, sie hätte sie besser schreiben können. Peter meinte es gut. Er glaubte immer noch an Poppy.
«Wolltest du nicht ein Konzept für eine Kolumne entwerfen?»
«Doch», sagte Poppy. «Doch, genau das habe ich vor.»
Peter bezahlte die Putzfrau. Manchmal kam er nach Hause und fuhr nachdenklich mit dem Finger über die Leisten der alten Wandschränke. «Hm», sagte er. «Besonders gründlich ist sie ja nicht, deine Putze.»
Nach einer Weile fragte er nicht mehr, ob Poppy geschrieben hatte. Ob sie sich irgendwo vorgestellt hatte. Poppy besuchte einen Malkurs. Poppy schloss sich einer Frauen-Wandergruppe an. Manchmal lag sie im Bett und las. Es gab Bücher, die sie für ein paar Tage aus ihrem Alltag erlösten. Aber meist schafften das nur Fernsehserien. Poppy nahm sie auf Videokassetten auf und sah sie marathonartig in stundenlangen Schüben. Dazu bügelte sie. Manchmal blieb sie in der Geschichte versunken stehen und brannte einen braunen Fleck in ein Hemd. Peter hatte Poppy gebeten, seine Hemden nicht mehr zu bügeln, sie presste tiefe Falten hinein. «Und überhaupt», sagte er, «ich hab dich nicht geheiratet, damit du meine Hemden bügelst.»
Er brachte seine Hemden zur Reinigung, so wie Poppys Vater seine zu seiner Mutter gebracht hatte. Immer öfter dachte Poppy, sie wisse genau, was ihre Mutter dazu getrieben hatte, die restlichen Tabletten aus der kleinen Flasche in ihre Handfläche zu schütten und alle auf einmal mit Rotwein hinunterzuspülen.
Eines Tages klingelte es, und Caro stand vor der Tür, ganz in Rot gekleidet und verzweifelt. Sie hatte sich in den Swami verliebt, er hatte ihr ganzes Geld genommen, und seine anderen Geliebten hatten sie aus dem Ashram vertrieben. Jetzt stand sie vor dem Nichts, sie musste wieder ganz von vorn anfangen. Poppy brachte es nicht fertig, ihr zu sagen, sie habe unterdessen eine andere Putzfrau. So kam Ruth am Montag, Caro am Mittwoch, man sollte meinen, Poppys Haus sei sauber.
Poppy trank mit Ruth Kaffee und mit Caro Tee. Sie hörte von Albertos Erfolgen im Studium und ließ sich von Caro über Meditationstechniken aufklären. «Du bist so unachtsam», sagte Caro zu ihr, als sie das heiße Wasser an der Kanne vorbeischüttete. Das sagte Peter auch immer: «Pass doch auf», sagte er. «Konzentrier dich doch einfach auf das, was du tust!»
Das leuchtete Poppy ein. Sie gab sich Mühe, aber es reichte nicht. Und es kam, wie es kommen musste: Poppy flog auf. Jemand wie sie konnte unmöglich den Überblick über eine solche Affäre bewahren, die Details, die Lügen, die das mit sich brachte.
«Ja natürlich», sagte sie. «Natürlich, sie kommt am Montag.» Aber es war zu spät.
«Dann hör auf, hier rumzufuhrwerken, du machst mich ganz konfus!» Peter schaute auf die Uhr. «Scheiße, schon so spät! Kannst du mich zum Bahnhof fahren?»
«Zum Bahnhof?»
«Ich verpasse sonst noch den Zug!» Er schlüpfte in den Mantel, öffnete die Tür, mit einem Arm im Mantel, der andere Ärmel hing herunter.
Poppy zögerte einen Augenblick zu lange – wie sollte sie … das Haus war noch nicht … Die Putzmittel … Caro würde sich wundern … «Gib mir eine Minute», sagte sie. «Ich muss mich erst anziehen.» Einen Mantel über den Pyjama, Stiefel über die dicken Wollsocken, sie fuhr
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