Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen
hatte sie gesagt? «Ich habe gesagt, ich bin schuld», sagte sie langsam. «Ich bin schuld an ihrem Tod. Das bin ich doch auch.»
«Poppy …»
«Wolf und ich», sagte Poppy, «Wolf und ich – wusstest du das, hat er dir das erzählt? Wir hatten eine Affäre. So nennt man das jedenfalls, wenn mindestens einer von beiden verheiratet ist, nicht wahr?»
Poppy dachte an die Affäre, die ihre Ehe beendet hatte. Ein Satz hatte sie verraten: «Weil die Putzfrau kommt.» Gedankenlos hatte sie auf die Frage geantwortet, was sie da so hektisch aufräume. Peter hatte eine Sitzung in einer anderen Stadt, würde das Haus eine Stunde später als sonst verlassen, es lohnte nicht, vorher noch im Büro vorbeizuschauen.
«Die Putzfrau? Die war doch am Montag schon da.»
Poppy hatte eine Affäre. Jeden Mittwochmorgen wartete sie nervös, bis alle aus dem Haus waren, die Buben in der Schule, der Mann im Zug Richtung Büro. Jeden Mittwochmorgen fürchtete sie das, was eines Tages eintreffen würde, unweigerlich: Einer von ihnen würde sich verspäten, verschlafen, vertrödeln, einer der Buben würde krank werden, zu Hause bleiben müssen. Kaum war die Tür hinter dem Letzten ins Schloss gefallen, begann Poppy fahrig, das ganze große Haus aufzuräumen. Wie die achtarmige Mutterkrake aus dem Kinderbuch wirbelte sie durch die Räume, durch die Flure, die Treppen hinauf und hinunter. Sie machte sämtliche Betten, hängte nasse Handtücher auf, stopfte herumliegende Kleidungsstücke in Schränke, stapelte Bücher neben Betten, stellte Schuhe in eine Reihe, räumte die Frühstücksreste weg – vier verschiedene Schachteln mit Flocken, warum eigentlich? –, stellte die Milch in den Kühlschrank. Immer wieder sah sie auf die Uhr. Caro war nicht immer pünktlich, sie fuhr mit dem Fahrrad den steilen Hügel herauf, bei Wind und Wetter, manchmal musste sie es schieben.
Mittwochmorgen, kurz vor acht, das Haus, das große, unübersichtliche Haus mit seinen vielen Zimmern und Kammern und Wandschränken, mit seinen Winkeln und Treppen war oberflächlich aufgeräumt. Poppy sah auf die Uhr. Es blieben ihr nur wenige Minuten, um blitzschnell den Putzschrank auszuräumen, die potenten, chemischen Mittel, die Rollen von extra saugfähigem Küchenpapier, den multifunktionalen Staubsauger, die ihre Putzfrau Ruth bevorzugte, im Keller zu verstecken und durch die biologisch abbaubaren Putzmittel, die Handbesen, die Bodenlappen aus Mikrofaser zu ersetzen, die ihre Putzfrau Caro benutzte.
Poppy hatte zwei Putzfrauen. Sie wussten nichts voneinander. Und niemand wusste von beiden, schon gar nicht Peter. Sie zwackte den Lohn für Caro vom Haushaltsgeld ab. Caro war ihre erste Putzfrau gewesen, anfangs hatte sie sich auch manchmal um die Buben gekümmert, bis sie ihr zu viel geworden waren – «zu viel männliche Energie», hatte sie gesagt, «damit kann ich nicht umgehen». Sie war aber weiterhin zum Putzen gekommen, manchmal bügelte sie auch. Eines Tages beschloss sie, nach Kalifornien in ein Ashram zu ziehen und sich ganz dem Studium der Meditation hinzugeben. Zum Abschied hatte sie Poppy gesegnet. Poppy hatte eine Anzeige aufgegeben und Ruth gefunden, eine patente, etwas dominante Hausfrau aus einem Nachbardorf, die sich so ein Zusatzgeld verdiente, um ihrem Sohn das Studium zu ermöglichen. Ruth putzte besser als Caro, genauer, gründlicher. Sie kam am Montagmorgen schon um sieben Uhr früh, was Poppy kaum genug Zeit ließ, alles wegzuräumen. Sie hatte sich angewöhnt, Ruth erst einmal einen Kaffee anzubieten, um Zeit zu schinden. Ruth trank ihn im Stehen, die Gummihandschuhe schon in den Gürtel ihrer Schürze geklemmt, startbereit. Sie erzählte Poppy vom Wochenende mit ihrem Freund. Vom Vater des Studenten war sie geschieden. Unterhaltszahlungen bekam sie keine mehr. Der Sohn hatte eine Weile gebraucht, um sich für ein Studium zu entscheiden. «Na und?», sagte Ruth. «Manche brauchen halt etwas länger. Trotzdem, es ist seine erste Ausbildung, das sind wir ihm schuldig. Das ist gar keine Frage, der Ex schaltet auf stur, nur um mich zu ärgern. Es geht ihm gar nicht um Alberto! Er hat einfach die Scheidung nie verwunden. Weil ich gegangen bin. Das verkraften solche Männer nicht. Dabei hat er längst eine neue. Der hat mich schnell ersetzt, pah!»
Ruth arbeitete von Dienstag bis Samstag an der Kasse im Supermarkt, abends putzte sie Büros, und am Montag, ihrem freien Tag (am Samstag gab es im Supermarkt eine Wochenendzulage) putzte sie
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