Montana 04 - Vipernbrut
verstrickte, wenn er seine Geschichte nur oft genug erzählte. O’Keefe hatte ihnen erklärt, dass er sämtlichen Spuren nachgegangen war, sämtliche Bekannte überprüft hatte, die der Junge in der Gegend haben mochte, dass er sich außerdem die Anruflisten seines Handys sowie die Chronik seines Computers vorgenommen und mit Leuten auf der Straße gesprochen hatte. Er hatte sämtliche Orte abgeklappert, an die sich ein verängstigter Jugendlicher flüchten würde.
»Finden Sie es nicht merkwürdig, dass er ausgerechnet in Detective Alvarez’ Haus einbricht und später eines der vermissten Schmuckstücke bei Opfer Nummer zwei wieder auftaucht?«
»Doch, natürlich finde ich das merkwürdig.« Auch diese Frage hatte er schon einmal beantwortet. Endlich schienen die FBI-Agenten zufrieden zu sein, doch dann kam Chandler auf die Vergangenheit zu sprechen.
»Detective Alvarez und Sie haben in San Bernardino zusammengearbeitet, ist das richtig?«
Womit wir beim Thema wären, dachte er. »Ja, das ist korrekt, außerdem hatten wir ein Verhältnis miteinander. Hören Sie, ich erzähle Ihnen das jetzt nur, damit wir zum Kern der Sache kommen können. Sie haben einen Mörder zu fangen, ich muss einen des bewaffneten Raubüberfalls beschuldigten Teenager aufspüren.«
»Wir arbeiten ebenfalls daran. Detective Trey Williams vom Police Department in Helena hat uns bestätigt, dass Sie als Deputy mit dem Fall Reeve befasst sind, aber nur mit diesem einen«, erklärte Chandler. »Ich weiß nicht recht, wie ich mir das vorstellen soll, das alles klingt recht vage und nicht gerade vorschriftsmäßig.«
»Auch in diesem Punkt stimme ich Ihnen zu«, räumte O’Keefe ein.
»Und dann wäre da noch das Problem in San Bernardino.«
»Da gibt es kein Problem. Ich habe eine weiße Weste.«
»Hm.« Sie wirkte nicht überzeugt. »Detective Williams ist angewiesen, uns auf dem Laufenden zu halten. Er besteht darauf, dass Sie wichtig sind für den Fall, er möchte die Zusammenarbeit mit Ihnen fortsetzen«, fuhr Chandler fort und studierte eine Akte.
»Das ist gut.«
»Wir stehen doch alle auf derselben Seite«, betonte Halden und fläzte sich auf dem unbequemen Plastikstuhl. Er war eindeutig der Freundlichere von beiden, ein Kumpeltyp, mit dem man gern auf ein Bier gehen würde. Natürlich konnte das auch nur vorgetäuscht sein, um O’Keefe dazu zu bringen, sich zu öffnen. Halden wirkte nicht annähernd so unterkühlt wie Agent Chandler, die offenbar hart daran gearbeitet hatte. Alles an ihr, angefangen bei ihren blauen Augen, dem platinblonden Haar, ihrem angespannten Unterkiefer und den schmalen Lippen, die niemals zu lächeln schienen, war so warm wie eine Silvesternacht in Alaska. Stephanie Chandler, die niemals eine Gefühlsregung zeigte, wirkte fast wie ein Roboter, dachte O’Keefe, der so etwas noch nie zuvor bei einer Frau gesehen hatte und auch gut darauf verzichten konnte. »Wir sind alle ein Team. Sie, wir … « Halden deutete mit der Hand auf O’Keefe, Chandler und sich selbst, dann fügte er hinzu: »Grayson und seine Deputys, auch Detective Alvarez, wir alle versuchen, einen üblen Psychopathen unschädlich zu machen.«
»Und wieder stimme ich Ihnen zu«, sagte O’Keefe und korrigierte seine Meinung über die beiden Agenten. Sie waren weder Schwachköpfe noch Arschlöcher. Aber sie waren schulmeisterlich und pingelig bei ihren Untersuchungen, dabei lief ihnen die Zeit davon. »Dann lassen Sie uns zusammenarbeiten. Ich muss Gabriel Reeve finden.«
»Und wir müssen einen Mörder finden«, erwiderte Halden und lächelte O’Keefe kumpelhaft an, doch dieser bemerkte, dass seine Augen dabei ernst blieben.
»Nur damit ich das richtig verstehe«, sagte Pescoli zu dem Anrufer am anderen Ende der Leitung. Sie hatte bereits einen Arm in den Ärmel ihres Mantels gesteckt und wollte sich gerade auf den Weg nach Hause machen, als ihr Handy klingelte. »Luke Pescoli hat Ihnen meine Nummer gegeben? «
»Ja, ähm, er sagte, Sie seien seine Ex-Frau und würden als Detective für das Büro des Sheriffs arbeiten.«
Großartig!
»Und er hat Ihnen meine private Handynummer genannt?«, vergewisserte sie sich. Am liebsten hätte sie ihren Nichtsnutz von Ex-Mann umgebracht, und das nicht zum ersten Mal. Sie lehnte sich mit der Hüfte gegen die Schreibtischkante, schlüpfte wieder aus dem Ärmel heraus und sah zu, wie der Mantel zu Boden fiel.
»Ja. Hören Sie, ich mache mir Sorgen. Meine Freundin Johnna, ähm, Johnna Phillips,
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