Montana 04 - Vipernbrut
Männern getroffen … «
Alvarez warf ihr einen empörten Ich-kann-es-nicht-fassen-dass-du-mich-das-fragst-Blick zu. »Wie ich Chandler und Halden bereits sagte: nein. Nicht einmal der Hausmeister hat einen, und nein, ich habe keinen Schlüssel draußen versteckt. Ich habe absolut keine Ahnung, wie der Kerl reingekommen ist.«
»Könnte nicht einer der Männer, mit denen du … ausgegangen bist, einen Schlüssel >geliehen< und ihn dann kopiert haben?«
»Das kann ich natürlich nicht ausschließen«, gab sie zu und dachte an die wenigen Male, bei denen ein Mann sie nach einem Date nach Hause gebracht oder ihre Handtasche gehalten hatte, aber man konnte ja nie wissen. Der Gedanke kam ihr absurd vor, doch wenn sie an den Ausdruck in Grover Pankretz’ Augen dachte, als sie mit ihm Schluss gemacht hatte, lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Mittlerweile war der DNA-Laborant verheiratet, und zwar glücklich, soweit sie wusste.
»Hast du die Schlösser auswechseln lassen, als du das Haus gekauft hast?«
»Was denkst du denn?«
»Schon gut, schon gut, ich habe ja nur gefragt.« Pescoli bog auf den Parkplatz eines Minimarkts. »Dauert nur ‘ne Sekunde. Brauchst du etwas?«
»Nein, danke.« Sie schüttelte den Kopf. Pescoli löste ihren Sicherheitsgurt und sprang aus dem Jeep. Den Motor ließ sie laufen. Die Scheibenwischer fegten den Schnee von der Windschutzscheibe, die Heizung brummte leise, der Polizeifunk knisterte. Binnen weniger Minuten war sie wieder da, Zigaretten und zwei Dosen in den Händen. Alvarez lehnte sich über den Fahrersitz und öffnete ihr die Tür.
»Hier«, sagte Pescoli und reichte ihr eine Dose Cola light, dann stellte sie ihre eigene in den Getränkehalter am Armaturenbrett.
»Ich trinke keine Light-Getränke.«
»Dann stell sie einfach in deinen Getränkehalter, ich werde mich schon darum kümmern.« Pescoli legte eine Schachtel Marlboro Lights ins Türfach, eine zweite ins Handschuhfach, dann legte sie den Gang ein und rollte vom Parkplatz.
Sie fuhren am Fluss entlang, an den Wasserfällen vorbei zu einem der Industriegebiete von Grizzly Falls. Dort lag die Polizeiwerkstatt, umgeben von einem hohen Stacheldrahtzaun. Als sie auf den Parkplatz bogen, sagte Pescoli: »Es gefällt mir gar nicht, dass dieser Irre dich im Visier hat.«
»Mir auch nicht.«
»Grayson wird alles tun, um dich zu schützen«, fügte sie hinzu, doch sie klang beunruhigt.
»Mach dir keine Sorgen um mich.«
Pescoli hielt an und ließ den Jeep im Leerlauf. »Nur fürs Protokoll: Ich bin nicht gerade wild darauf, mit Gage zusammenzuarbeiten. Wann hat er das letzte Mal einen Fall bearbeitet, so richtig, meine ich, nicht bloß am Schreibtisch? In den Neunzigern?«
»Autsch! Sei vorsichtig! Ich glaube, er ist jünger als du.«
»Vermutlich. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass jeder, der zu uns stößt, kaum drei Jahre älter ist als Jeremy, und eins kann ich dir sagen: Das ist ein erschreckender Gedanke.« Kichernd kletterte Alvarez aus dem Jeep. »Bis morgen!« Es war seltsam, diese Worte auszusprechen, wusste sie doch, dass Pescoli knietief in den Ermittlungen zum Eismumienfall steckte. Ihr würde man einen anderen Fall zuweisen, vermutlich die Akte Len Bradshaw, ein Fall, der in Pescolis Augen noch lange nicht abgeschlossen war.
Natürlich würde sie so tun, als beschäftigte sie sich weiter mit dem vermeintlichen »Unfall«, wenn auch nur zum Schein.
Unter keinen Umständen würde sie sich davon abhalten lassen, weiter im Fall des psychopathischen Frauenmörders zu ermitteln. Sie wusste das, Pescoli wusste das und nicht zuletzt auch Dan Grayson.
Sobald sie vom Parkplatz gebogen war, steckte sich Pescoli eine Zigarette an. Sie kurbelte das Fenster herunter, damit der Qualm aus dem Fenster zog. Eisige Luft wehte ins Wageninnere. Wem wollte sie etwas vormachen, wenn nicht sich selbst? Jeder im Department wusste, dass sie gerne mal eine rauchte, wenn sie Stress hatte, auch ihre Kinder und Santana. Sie musste nur darauf achten, dass sie nicht in ihre alte Gewohnheit verfiel, eine ganze Schachtel am Tag wegzuqualmen.
Sie nahm einen tiefen Zug, dann drückte sie die Zigarette aus. Das Wichtigste war jetzt, einen klaren Kopf zu bekommen und nachzudenken, und manchmal, so hatte sie den Eindruck, half ihr das Nikotin genau dabei.
Na schön, sie machte sich etwas vor, doch das würde sie niemals ihren Kindern gegenüber eingestehen. Wie ferngesteuert fuhr sie aus der Stadt hinaus in Richtung ihres kleinen
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