Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
so”, führte Mavis den Satz für sie zu Ende, “dass du sofort aus der Haut fährst, wenn jemand Dylan Creed erwähnt.”
“Und warum erwähnst du ihn dann?”, fragte Kristy gereizt.
Mavis drückte ihre Schulter. “Ich wollte dir nichts Böses. Ich dachte nur, es könnte dich freuen, dass Dylan zurück ist. Ich weiß, du hast eine schwere Zeit hinter dir, Kristy. Der Tod deiner Eltern, der Verlust der Ranch und dann auch noch Sugarfoot. Das kam ja praktisch alles zusammen. Ich würde dich eben gern wieder glücklich sehen! Und das warst du mit Dylan ja auch, bis es bei der Beerdigung seines Dads zu diesem großen Zerwürfnis kam. Alle in Stillwater Springs würden das gern – dich wieder glücklich sehen, meine ich.”
Es kostete Kristy Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten. Der Grund dafür waren nicht die traurigen Erinnerungen, sondern Mavis’ Worte, die sie tief berührten. Auf ihre eigene tollpatschige Art war Mavis um sie besorgt, und das galt auch für viele andere Leute in Stillwater Springs. “Ich
bin
glücklich”, beteuerte sie. “Ich habe meinen Job, mein Haus, meine Katze …”
“Ich habe einen Job, ein Haus und
vier
Katzen”, hielt Mavis gut gelaunt dagegen. “Aber es ist mein Bill, der dafür sorgt, dass mein Herz schneller schlägt.”
“Du kannst dich glücklich schätzen”, kommentierte Kristy und meinte es so, wie sie es sagte. Seit dem Tag nach dem Highschool-Abschluss war sie mit ein und demselben Mann verheiratet, und auch wenn sie und Bill nie Kinder bekommen hatten, waren sie immer noch so verliebt wie am ersten Tag.
Mavis frisierte sie zu Ende, ohne noch einmal auf Dylan zu sprechen zu kommen, wofür Kristy ihr zutiefst dankbar war. Sie eilte zurück zur Bibliothek und zog sich mit einem Sandwich in das kleine Büro hinter der Information zurück. Es war Mittwoch, und um die wenigen Besucher konnten sich für die nächsten Minuten ihre beiden freiwilligen Helfer Susan und Peggy kümmern.
Um drei Uhr stand die Vorlesestunde an, die Kristy aus der Taufe gehoben hatte. Aus welchem Buch sie vorlesen sollte, hatte sie noch nicht entschieden, und das machte ihr etwas zu schaffen. Sie war ein Mensch, der auf Details achtete, und es gab nur wenige Dinge, die ihr wichtiger waren, als ihre Arbeit gut zu erledigen.
Also aß sie ihr Sandwich auf und begab sich in die Kinderbuchabteilung. Es war immer eine schwierige Sache, eine geeignete Geschichte zu finden; die Kinder, die sich in der Spielecke der Bibliothek um den Totempfahl scharten, waren zwischen drei und zwölf Jahren alt. Die Ungestümeren kamen vom Schwimmunterricht im städtischen Bad her, rochen nach Chlor und Sonnenschein und waren nie so ganz trocken, während die Kinder, deren Mütter arbeiten gingen, unweigerlich viel zu früh eintrafen.
Rastlos ging Kristy von Regal zu Regal und zog ein Buch nach dem anderen heraus. Schließlich entschied sie sich für eine Notlösung, zu der sie schon öfter gegriffen hatte: ein Abenteuer der Jungdetektivin Nancy Drew; sie hatte sie in ihrer Jugend selbst verschlungen. Die Jungs würden sich darüber amüsieren, und die Kleinsten in der Gruppe würden kein Wort verstehen, aber Kristy wusste, dass allein das Zuhören bereits einen Teil des Zaubers ausmachte.
Ja, heute stand “Das Geheimnis der alten Uhr” auf dem Programm.
Für die Mädchen war es hilfreich, wenn sie die Geschichten der klugen Nancy hörten, die zusammen mit ihren Freunden George und Bess die Initiative ergriff. Und den Jungs würde es nicht schaden, wenn ihnen vorgeführt wurde, dass Frauen das Gleiche leisten konnten wie Männer.
Die Zeit verging schnell, und Kristy hatte damit zu tun, die zurückgegebenen Bücher zu erfassen. Als sie zwischendurch von ihrer Arbeit hochsah, entdeckte sie mindestens ein Dutzend Kinder, die in der Spielecke auf sie warteten.
“Showtime”, flüsterte Susan ihr amüsiert zu. “Ich kümmere mich um die Rückgaben. Und ich kann heute Abend auch bis zum Schluss bleiben. Jim ist mit seiner Bowlingmannschaft nach Choteau gefahren.”
Susan, eine Frau Mitte fünfzig, beherrschte ihre Arbeit bis ins kleinste Detail. Wenn sie bis zum Feierabend blieb, konnte Kristy sich um fünf statt um neun Uhr auf den Heimweg machen. Diese Zeit würde sie nutzen, um wenigstens einen Teil der Küche zu streichen, bevor sie irgendein Fertigessen in die Mikrowelle schob und sich anschließend zusammen mit Winston ins Bett kuschelte, um noch eine Weile zu lesen.
“Danke”, sagte Kristy und
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