Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
Eigentlich hätte man die in eine Müllverbrennungsanlage werfen müssen – zweifellos war sie von Bazillen übersät. Doch er brachte es nicht übers Herz, sie ihr abzunehmen. Vielleicht konnte er sie ja gründlich desinfizieren, wenn Bonnie wieder schlief.
Für den Augenblick hatte er aber genug zu tun, durch Stillwater Springs zu fahren und das Tempolimit einzuhalten. Es hätte ihm gerade noch gefehlt, von Floyd Book oder einem seiner Deputys angehalten zu werden und beweisen zu müssen, dass er das Kind nicht doch seiner Mutter weggenommen hatte. Natürlich hatte er den Notizzettel von Sharlene bei sich, der zusammen mit Bonnie und einer Reisetasche in seinem Truck gelegen hatte. Aber ob dem irgendwelche Beweiskraft zukam …?
Für Logan würde das natürlich reichen. Logan konnte alle erforderlichen Papiere organisieren und alles in Ordnung bringen.
Er fuhr aus zwei Gründen zur Ranch: Einerseits hoffte er, Logan dort anzutreffen – andererseits war sie auch sein Zuhause.
“Hier bin ich aufgewachsen”, sagte er zu Bonnie, als sie durch das Tor fuhren, über dem das reparierte Schild mit der Aufschrift
Stillwater Springs Ranch
hing.
“Nich”, entgegnete Bonnie fröhlich und kaute auf den restlichen Haaren ihrer Puppe herum.
Die Kleine entwickelte allmählich einen beachtlichen Wortschatz.
Die Arbeiten am Stall waren fast abgeschlossen. Man hatte neue Balken eingezogen, und das Dach war komplett ersetzt worden.
Dylan stellte den Truck ab und kurbelte das Fenster herunter, als einer der Arbeiter grinsend zu ihm kam. Es war Dan Phillips, der ein paar Jahre vor ihm die Stillwater Springs High abgeschlossen hatte.
“Ist Logan da?”, fragte Dylan, obwohl er die Antwort kannte.
Dan schüttelte den Kopf. “Der ist in Las Vegas, um zu heiraten.”
“Der Stall sieht gut aus”, sagte er.
“Wusste gar nicht, dass du Familienvater bist, Dylan”, merkte Dan mit einem Zwinkern an, als er einen Blick auf Bonnie in ihrem Kindersitz geworfen hatte.
“Ich stecke eben voller Überraschungen”, erwiderte er. “Weißt du zufällig, ob Logan mein Haus nach dem letzten Einbruch hat reparieren lassen?”
“Darum habe ich mich mit meiner Crew persönlich gekümmert. Logan bat mich auch, die Sachen von Briana und den Jungs zusammenzupacken und herzubringen. Ist auch erledigt.”
Das war wenigstens etwas, auch wenn es ihn auf eine unerklärliche Weise enttäuschte, dass Logan nicht zu Hause war. Jetzt konnte er mit Bonnie Lebensmittel einkaufen gehen und einziehen. Cassie hatte zwar angeboten, sie beide bei sich unterzubringen, aber ihr Haus war nun mal recht klein, und er wollte ihr nicht länger zur Last fallen als unbedingt nötig.
“Ist ja fast wie bei einem Klassentreffen”, redete Dan weiter, gerade als Dylan losfahren wollte. “Vorhin hab ich Tyler gesehen. Er hat sich in seiner alten Hütte unten am See verkrochen und mich gebeten, niemandem zu sagen, dass er dort ist. Aber ich schätze, es stört ihn nicht, wenn ich es dir sage.”
Dan lag mit der Vermutung völlig verkehrt, doch das wollte Dylan ihn nicht wissen lassen. “Ich werde mal vorbeifahren und Hallo sagen.”
Und mit etwas Glück wird mein kleiner Bruder mich nicht mit einer Schrotflinte niederstrecken.
“Als Nächstes ist das Haus an der Reihe”, meinte Dan und deutete auf das altehrwürdige Ranchhaus. “Das wird komplett überholt werden. Zuerst kommen ein neues Badezimmer und eine topmoderne Küche.”
Dylan musste grinsen. Logan ging tatsächlich immer noch davon aus, dass er hierblieb, sesshaft wurde und mit Briana einen Haufen Kinder großzog.
Aber das würde er erst glauben, wenn auch das letzte von Logans Kindern erwachsen war und heiratete. Andererseits – wenn er sich vor Augen hielt, was er für seine Tochter empfand, dann war es durchaus möglich, dass Logan sich
tatsächlich
vorgenommen hatte, “den Namen Creed reinzuwaschen und ihm wieder Bedeutung zu verleihen”, wie er es formulierte.
“Man sieht sich”, sagte Dylan zu Dan, wie es hier draußen auf dem Land üblich war, wenn man sich höflich, aber zügig verabschieden wollte.
Dan nickte und deutete einen Salut an, dann kehrte er zu seiner Arbeit zurück.
Unterdessen machte sich Dylan auf den Weg zu seinem Haus.
“Töpfchen”, verkündete Bonnie ernst, als sie quer über das Feld holperten und um den Obstgarten und den Friedhof herumfuhren. Früher oder später würde er Jakes Grab besuchen müssen, aber vorher gab es noch eine Menge anderer Dinge zu
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