Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
sagen konnte, dass sie Kopfschmerzen hatte und nicht bis fünf Uhr bleiben würde.
Aber das war eine Lüge.
Ihr Herz schmerzte, nicht ihr Kopf.
“Wie ist es so bei dir gelaufen, Kristy?”, fragte Dylan.
Was sollte das denn werden? “Bestens”, behauptete sie.
Er verzog den Mund zu einem betrübten schiefen Lächeln. “Bis zu meinem letzten Telefonat mit Logan dachte ich, du wärst mit Mike Danvers verheiratet.”
Ihr stockte der Atem. In Dylans Augen blitzte für einen Sekundenbruchteil etwas auf, während sie sich noch ihre Antwort überlegte. “Mit Mike wäre es nichts geworden”, sagte sie schließlich.
“So wie mit mir”, fügte Dylan an. So sehr Kristy sich auch bemühte, sie konnte seinen Tonfall einfach nicht deuten.
“Wir waren jung”, hörte sie sich selbst reden. “Die Welt zerbrach für uns in tausend Stücke. Dein Dad war gerade bei diesem Arbeitsunfall umgekommen, und meine Eltern …”
“Daddy!”, johlte Bonnie plötzlich. “Daddy! Daddy! Daddy!”
Sie rannte zu Dylan, der sie in die Arme nahm.
“Töpfchen!”, rief sie triumphierend.
Dylan seufzte und sah Kristy fragend an. “Würde es dir was ausmachen, mit ihr zur Damentoilette zu gehen?”
Froh darüber, wenigstens ein paar Minuten vor ihm Ruhe zu haben, nutzte sie die Gelegenheit. Sie stand auf und nahm Bonnies Hand, dann ging sie mit der Kleinen zu den Toiletten.
Da viele Kinder in ihrer Lesestunde noch recht jung waren, war sie mit diesem Prozedere vertraut. Allerdings war das hier
Dylans
Tochter, die er mit einer namenlosen, gesichtslosen Frau gezeugt hatte – aber nicht mit ihr.
Verdammt! Jedes Mal, wenn sie miteinander geschlafen hatten, bevor das Rodeo, der Tod und ein Dutzend Dinge mehr zwischen sie gekommen waren, überlegten sie sich Namen für ihr Kind. Einen Jungen würden sie Timothy Jacob nach ihren Vätern nennen, ein Mädchen sollte nach ihren Müttern Maggie Louise heißen …
Als sie mit Bonnie von der Toilette zurückkam, wartete Dylan im Korridor auf sie. Er stand gegen die Wand gelehnt da und strahlte diese lässige Eleganz aus, die ihm in den Genen zu stecken schien.
“Danke”, sagte er.
“Gern geschehen”, erwiderte sie.
Er nahm Bonnie hoch. “Es ist schön, dich wiederzusehen, Kristy”, fügte er an und klang ein wenig heiser.
“Gleichfalls.” Kristy war froh, dass er sich zum Gehen wandte, bevor er die Tränen in ihren Augen bemerken konnte.
Danke.
Gern geschehen.
Es ist schön, dich wiederzusehen, Kristy.
Gleichfalls.
Kristy lief zurück zu den Toiletten, drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, bis das Brennen in ihren Augen nachließ. Aber die Stimmen – ihre und die von Dylan –, die hörte sie unverändert. Sie drangen aus einer fernen Vergangenheit durch Raum und Zeit zu ihr.
Wenn der Mond aus seiner Bahn ausbricht und durch das All zieht, und wenn die letzten Sterne erlöschen, werde ich dich noch immer lieben, Dylan Creed.
Er lächelte und strich über ihr Haar, dann küsste er sie, und ihr Blut geriet in Wallung.
Du liest zu viel
, zog er sie auf.
Das liebe ich so an dir. Unsere Kinder werden richtig klug werden.
Du bist auch klug, Dylan
.
Aber nicht belesen
.
Ich kann nicht so poetisch reden wie du.
Ist das wichtig?
, fragte sie ihn, während ihr Herz vor Glück überquoll.
Außer dir und mir ist nichts wichtig, Kristy.
Außer dir und mir ist nichts wichtig.
3. KAPITEL
D ie Bibliothek zu besuchen war ein Fehler gewesen, das musste Dylan nun zugeben. Es war eine spontane Aktion gewesen, weil er Kristy wiedersehen wollte, und wenn auch nur aus der Ferne.
Doch dabei war es nicht geblieben. Denn als er dort eintraf, saß eine ganze Schar Kinder in der Spielecke und wartete darauf, dass sie mit der Vorlesestunde begann. Augenblicklich hatte es ihn wie magisch dorthin gezogen. Die Kinder hätten ebenso gut mit Trommeln um eine Feuergrube herum sitzen können, die Anziehung wäre genauso stark gewesen.
Kristy war noch immer eine Schönheit – umso mehr, da er seit fünf Jahren ihr Leben nicht mehr unnötig kompliziert gemacht hatte. Sie wirkte ruhiger als damals, dennoch hatte er mit Freude zur Kenntnis genommen, dass sein plötzliches Auftauchen sie ein wenig aus der Fassung gebracht hatte.
Das einzig Unerfreuliche war allerdings der Schmerz gewesen, den er in ihren Augen entdeckte, als sie erkannte, dass Bonnie
seine
Tochter war.
Er sah zu Bonnie, die angeschnallt in ihrem Kindersitz saß und ihre alte Puppe festhielt.
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