Montauk: Eine Erzählung (German Edition)
an der Lamellen-Jalousie. Zimmer mit Loggia und Blick auf die nahe Brandung. Zwei Betten, getrennt durch ein Tischchen mit Lampe. Sie treten sofort auf die Loggia hinaus. Weit draußen auf dem Atlantik sogar ein Glimmer von Sonne. Lynn schlägt einen Spaziergang vor, und er ist gerne einverstanden; vorher möchte sie die Hände waschen.
Ein Pingpong-Tisch ist auch da.
Lynn kennt das hölzerne Hotel von einem Betriebsausflug her; ein Hotel in den Dünen. Das ist im Sommer gewesen. Dann wimmelt es hier von Leuten, wenn man baden kann. Jetzt ist es noch zu kalt, aber man wird spazieren können, falls es morgen nicht regnet –
Weiß er, wovon sie im Augenblick reden?
Lynn wird sein Laster nicht kennenlernen. Dazu fehlt die Zeit. Es braucht eine Ehe, eine lange, damit es zum Vorschein kommt ... Ich habe nicht eine Magd aus ihr gemacht (gelegentlich auch das Geschirr gespült, die Mülleimer hinunter getragen, Lebensmittelkäufe erledigt etc.) und ich habe die Frau, die ich liebe, nie geschlagen; ihre Klage ist eine andere und sie trifft mich wirklich. Ich habe ein Jahr gebraucht, um es einzusehen. Zuerst finde ich es grotesk, ihr Fazit: daß ich in zehn Jahren nichtszu ihrer Selbstverwirklichung beigetragen habe. Sie spricht in aller Ruhe. Ich habe sie auf Händen getragen: die bequemste Art, umzugehen mit einer Frau, und die schlimmste Art. Das sehe ich ein. Ihr Vorwurf trifft mich anders, als sie ihn meint. Offenbar habe ich mich von Anfang an verhalten, als sei ich Gottvater oder mindestens Adam, das Weib aus seiner Rippe gemacht: KOMM, FOLGE MIR, ICH LEITE DICH ! Die Frau ist nicht undankbar, sondern verzweifelt. Was ich für unsere schönen Jahre gehalten habe, plötzlich erscheinen sie als verlorene Jahre. Mein Laster: MALE CHAUVINISM . Nur mein Verhalten von Anfang an und von Tag zu Tag hat eine kluge Frau verleiten können zu der Meinung, ihre Selbstverwirklichung sei Sache des Mannes, der Männer.
MEINE FEHLER WIRD MAN HIER FINDEN
Ein meilenlanger Strand, ein Ende des Strandes nicht zu sehen, er verliert sich nach beiden Seiten im milchigen Lila-Licht der Verdampfung. Trotz Wind ist es fast heiß. Zwei Liegesessel mit verblichenen Kissen stehen im Sand, keine andern weit und breit; wem gehören sie? Kein Mensch weit und breit. Sie benutzen die beiden Sessel, so wie sie dastehen: ungefähr parallel, Abstand etwas mehr als eine Armlänge. Vorher haben sie ihre Hosen heraufgekrempelt, als sie ins Wasser gestapft sind. Man könnte es eine Weile schon aushalten. Die brechenden Wellen würden den Körper peitschen. Man hat aber kein Schwimmzeug, und so liegen sie jetzt in den beiden Sesseln, Abstand etwas mehr als eine Armlänge, Blick hinaus auf den dunklen Atlantik und auf zwei Paar bloße Füße; der Sand haftet schon nicht mehr an der Haut, der Wind nimmt ihn weg ... Gestern auf der Fahrt hierher, als man den endlosen Friedhof bei Queens sieht, ihre Frage: DO YOU WANT TO GET BURIED OR CREMATED ? Man ist der gleichen Ansicht, ganz entschieden ... Die Küste ist anders als in der Bretagne vor einem Jahr, die Brandung wie überall. Jetzt ein paar weiße Wolken; sie spiegeln sich in den blauen Lachen der Brandung, dann versickert wieder die Nässe, der Sand wird grau, bis eine nächste Schaumzunge kommt, und wieder Glanz für eine Weile.
Ein langer leichter Nachmittag.
HERMES GEHT VORBEI
Titel einer Oper, die ich einmal habe schreiben wollen: ein Paar, das sich ins Museum geflüchtet hat, und dann eine Gruppe mit Führer, der die Statue kennerhaft erläutert, und niemand bemerkt, daß die Statue gar nicht mehr da ist; Hermes ist vom Sockel gestiegen, um das Paar zu führen – Komödie mit viel Irrungen ... Morgen ist schon Sonntag, abends muß Lynn in der Stadt sein, Montag im Office, Dienstag fliegt er nach Europa.
HI , sagt sie, WHAT ARE YOU THINKING ABOUT ?
Was er verschweigt: wie ich im Pyjama nachts durch Friedenau gehe; keine Zeugen auf der Straße, nur Bogenlampen im Regen, der Regen sichtbar unter Bogenlampen, einmal ein Auto, das aber nicht stoppt, ich gehe auf dem Bürgersteig im Pyjama barfuß, es ist aber kalt, Februar in Berlin, das nasse Pflaster, dann der platschnasse Pyjama, ich komme nicht weit, denn ich schlottere bloß statt mich zu schämen ...
Einmal ist er aufgestanden und zur Brandung gegangen, hat seine Hosen weiter heraufgekrempelt, so weit es nur geht, und genießt es, im Wasser zu stehen. Alle Kleider abzulegen und in die Brandung
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