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Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Titel: Montauk: Eine Erzählung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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Manchmal fragt er sich beiläufig, was er mit seinen Jahrzehnten eigentlich gemacht hat. Andere können sagen: 5 Jahre im Krieg, 2 Jahre in Gefangenschaft. Ein anderer: 40 Jahre bei der Bundesbahn. Ein andrer: 10 Jahre im Lager. Sie wissen, warum das Leben kurz gewesen ist.
     
    ARCHITEKTUR :
     
    12 Jahre mit Reißbrett, Bleistift, Rechenschieber, Pauspapier, Reißschiene, Zirkel, Geruch von Tusche. Der weiße Kittel des Zeichners. Wenn man ein großes Pauspapier rollt: der zischende flatternde Ton. Rollen aus Pappe. Die tägliche Fahrt zur Arbeit: ich bin nicht mehr Student und nicht mehr Schriftsteller, ich gehöre zur Mehrheit. Ihre Gesichter in der Bahn morgens und abends. Ich trage gern den weißen Zeichenmantel, ich zeichne gern. Draußen schneit es, so daß man die Zeichenlampe braucht; Glanz auf dem glatten Pauspapier. Es ist Krieg. Beim langsamen Ziehen einer Linie mit Tusche halte ich den Atem an. Ich beschrifte auch gerne; ich radiere, wenn eine Maßzahl nur leserlich geraten ist, nicht aber schön. ZEMENT, SIKA, KLINKER, ZINK, GLASWOLLE, ETERNIT , das sind die Vokabeln meiner Kalligraphie. Ich bin dreißig und habe endlich einen Brotberuf, ein Diplom, ich bin dankbar, daß ich eine Stelle habe: acht bis zwölf und eins bis fünf. Ich kann heiraten. Wenn ich den Rechenschieber benutze, so habe ich das Gefühl, ein Fachmann zu sein. Wieso grad Architekt? Der Vater ist Architekt gewesen (ohne Diplom); das durchsichtige Pauspapier, die Reißschiene, die wippen kann, das Meterband als verbotenes Spielzeug. Ich zeichne exakter, als ich vordem geschrieben habe. Als Zeichner von Werkplänen komme ich mir übrigens männlicher vor. Einmal auf dem Bau muß ich erfahren, daß eine Treppe, die ich gerechnet und gezeichnet habe, nicht auf dem oberen Podest ankommt; es fehlt eine Tritthöhe, während die Länge stimmt. Das kommt dann nie wieder vor. Die Platten für die Stufen sind schon geschnitten gewesen; der Boß hat den Schaden übernommen. Auf der Baustelle heiße ich: Herr Architekt. Sehe ich meine Kalligraphie in den Händen eines Eisenlegers oder eines Zimmermanns, so bin ich etwas kleinlaut, auch wenn die Pläne stimmen. Oft habe ich keine Ahnung, wie etwas auszuführen ist; ich weiß nur, dasweiß der Arbeiter dann schon. Ein fades Gefühl gegenüber Handwerkern jeder Art. Wenn sie die Stirn runzeln, so bin ich froh, daß sie mich nicht fragen, wie sie’s machen sollen, und ich entferne mich, wenn sie fluchen. Auch wenn ich mit der Zeit begriffen habe, wie eine Sache anzufangen ist: meine Hände könnten es nicht. Meine Hände halten dann eine Rolle, die mein Halt ist. Es bleibt ein Gefühl von Inkompetenz. Es scheint, daß die Arbeiter es nicht merken. Gerne würde ich ihnen lange Zeit zuschauen; das schickt sich aber nicht. Ich bin kaum besser bezahlt als sie; aber nicht bezahlt als Zuschauer. Die meisten Arbeiter sind älter als ich. Mein Bruder schenkt mir Vertrauen. Sein Geld ist knapp; es wird ein kleines Haus. Je simpler mein Plan, um so besser wäre es. Statt dessen will ich Einfälle zeigen, und es wird ein dummes Haus, aber es wird gebaut: der Aushub, das Gerüst, die Fundamente, die Schalungen und alles nach Plan, dann das Wachsen der rohen Mauern und was außerhalb des Planes liegt: viel Erde, Bretter, Haufen von Backsteinen, alles dinglich. Nachdem die Arbeiter gegangen sind, bleibe ich noch eine Weile, tue, als messe ich. Rohre für die Kanalisation, Kies, die Schaufeln, die Karren, die Rollen von Teerpappe körnig und etwas klebrig, Säcke voll Zement, die Latrine unter einem blühenden Kirschbaum, Bündel von angerosteten Rundeisen in der Wiese. Ein Mal träume ich: das fertige Haus ohne Ähnlichkeit mit meinen Plänen, aber gebaut nach meinen Plänen, sagen sie. Verglichen mit dem Traum sind es kleine Schrecken, die mich auf der Baustelle erwarten: ein Fenster viel zu groß. Man kann es nicht mehr verkleinern; die Fensterrahmen sind schon bestellt. Selbst Einfälle, die eine Einsparung brächten, kommen jetzt zu spät. Mein Bruder tut mir leid. (Zwanzig Jahre später schenkt er mir nochmals sein Vertrauen; das zweite Haus ist wenigstens vernünftig, es steht richtig im Gelände und macht keine Faxen.) Mein erster Fehler als Boß: ich stelle einen Hochschulfreund an, wir haben bisher als Angestellte nebeneinander gearbeitet, ich biete 500 Franken statt 350 monatlich, und da wir uns immer über diesen starren Stundenplan geärgert haben, acht bis zwölf und zwei bis sechs, biete ich ihm die

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