Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
Mitleid und Sorge empfand er auch ein weniger edles Gefühl – in selbstsüchtiger Weise fühlte er sich entlastet, weil er wusste, dass er mit dem BRCA1-Problem leichter zurechtkommen würde als mit dem Gedanken, dass sie heiraten könnte.
»Willst du nichts sagen?«, fragte Laurie nach einer Pause.
»Entschuldige! Das hat mich jetzt völlig unerwartet getroffen. Es tut mir ehrlich Leid, dass du den Marker hast. Andererseits glaube ich immer noch, dass es besser ist, es zu wissen.«
»Im Moment bin ich davon gar nicht überzeugt.«
»Aber ich. Daran zweifle ich kein bisschen. Das heißt doch jetzt bloß, dass du vorsichtiger sein und vielleicht jedes Jahr eine Mammographie oder Kernspintomographie machen lassen musst. Du weißt doch, dass du mit dem Marker zwar ein erhöhtes Risiko hast, Krebs zu bekommen, bevor du achtzig bist, aber deine Mutter, von der du die Mutation geerbt hast, hat ihren Krebs erst mit über achtzig bekommen.«
»Das stimmt«, gab Laurie zu. Ihr Gesicht hellte sich auf. »Und meine Großmutter mütterlicherseits hat auch erst Brustkrebs bekommen, als sie schon über achtzig war. Und meine Tanten, die alle schon Ende siebzig sind, haben keinen – bis jetzt jedenfalls nicht.«
»Na, siehst du?«, ermunterte Jack sie. »Es deutet doch vieles darauf hin, dass sich in deiner Familie die Mutation erst ab achtzig auswirkt.«
»Vielleicht.« Laurie klang schon wieder weniger optimistisch. »Aber so etwas lässt sich nicht testen oder beweisen, und dabei ist das erhöhte Risiko für Eierstockkrebs noch nicht berücksichtigt.«
»Hat jemand aus deiner Familie Eierstockkrebs gehabt?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Für mich hört sich das alles sehr positiv an.«
»Kann sein«, gab Laurie zu und fingerte wieder an ihrem Geschirr herum.
Jack nahm noch einen Schluck von seinem Bier. Ihm war heiß, und er versuchte, seinen Hemdkragen am verschwitzten Hals etwas zu weiten. Wie gern hätte er die Krawatte ausgezogen, doch da Laurie sich so schick angezogen hatte, traute er sich nicht. Ihm machte nicht der BRCA1-Marker Sorgen, sondern die Art, wie Laurie angefangen hatte, davon zu erzählen. »Als Erstes«, hatte sie gesagt, was wohl hieß, dass noch etwas folgen würde.
In diesem Moment brachte der Kellner den Salat und die Calamari. Dass er Jack und Laurie noch nicht mit der Frage nach der Hauptspeise belästigt hatte, war einer der Gründe, warum Jack so gern im Elios aß – hier hatte er nicht das Gefühl, gleich wieder rausgeschmissen zu werden, um den Tisch für die nächsten Gäste freizugeben, wie dies in vielen anderen »In«-Restaurants üblich war.
Nachdem er ein paar Bissen von seinen Calamari gegessen und einen Schluck Bier getrunken hatte, räusperte er sich. Abergläubisch wie er war, wollte er sie nicht fragen, aber die Ungewissheit brachte ihn schier um. »Wolltest du mir noch was anderes erzählen, oder ging es nur um den BRCA1-Marker?«
Laurie legte die Gabel zur Seite und blickte Jack in die Augen. »Ja, ich wollte dir noch was erzählen – ich bin schwanger.«
Jack schluckte, legte den Kopf leicht schräg, als ob etwas dagegen geprallt wäre, und stellte das Bier ab. Seinen Blick hielt er auf Laurie geheftet. Zu hören, dass sie schwanger war, hätte er am allerwenigsten erwartet. Seine Gedanken rasten. Wieder räusperte er sich. »Wer ist der Vater?«, fragte er.
Lauries Gesicht verfinsterte sich schlagartig, und sie sprang so rasch vom Tisch auf, dass ihr Stuhl nach hinten kippte. Die Gespräche im Restaurant verstummten. Laurie warf ihre Serviette auf den Salat und wollte Richtung Ausgang marschieren, aber Jack hielt sie am Arm fest. Sie schaffte es nicht, sich loszureißen, doch ihre Nasenflügel zuckten, als sie auf Jack hinabblickte.
»Es tut mir Leid«, stieß Jack hervor. »Renn doch nicht gleich weg! Natürlich müssen wir miteinander reden, und vielleicht war das nicht sehr diplomatisch, diese Frage gleich als Erstes zu stellen.«
Laurie riss noch einmal an ihrem Arm, doch weniger stark als am Anfang.
»Bitte, setz dich!«, flehte Jack so ruhig, wie er konnte.
Als ob sich Laurie erst jetzt ihrer Umgebung bewusst wurde, schaute sie sich im Restaurant um, wo die Gäste wie erstarrt dasaßen und zu ihr herüberblickten. Sie schaute zu Jack hinunter, nickte und trat wieder an den Tisch. Wie auf Befehl tauchte der Kellner auf, stellte den Stuhl hin und nahm Serviette und Salatteller mit. Sobald Laurie sich wieder gesetzt hatte, wurden die Gespräche im
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