Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
mitzukriegen.«
»Danke für Ihre Zeit.« Roger stieß sich vom Schreibtisch ab. »Ich glaube, ich werde Ihren Vorschlag befolgen und mich oben in der Frauenabteilung umschauen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich bei Bedarf noch einmal auf Sie zukommen.«
»Machen Sie, was Sie wollen.«
Roger versuchte, Jazz ein beruhigendes Lächeln zuzuwerfen, bevor er den Materialraum verließ und zu den Fahrstühlen ging. Kaum merklich schüttelte er den Kopf. Er konnte es einfach nicht glauben – mit zwei Personen von seiner Liste hatte er geredet und über eine dritte etwas in Erfahrung gebracht, und seinem Eindruck nach waren alle drei so gestört, dass er ihnen das Unvorstellbare zutraute.
Jazz lehnte sich gerade so weit aus dem Materialraum, um Roger auf dem Weg zu den Fahrstühlen hinterher blicken zu können. Sie konnte es einfach nicht glauben – da braute sich schon wieder was zusammen. Die Sanktionen durchzuführen, hatte bisher so gut geklappt. Dann war Lewis dran gewesen, und seitdem war die Hölle los. Und kaum hatte sie ein mögliches Unheil aus dem Weg geräumt, kam schon das nächste. »So ein Arschloch!«, murmelte sie. So, wie er angezogen war und redete, war er auch wieder so ein blöder Eliteuni-Typ.
Als Roger die Fahrstühle erreichte und den Knopf drückte, drehte er sich noch einmal um. Jazz zog den Kopf zurück. Er sollte nicht bemerken, dass sie ihm hinterher blickte, als machte sie sich Sorgen. Sie schüttelte den Kopf und knallte mit der Hand auf den Schreibtisch. Ein paar lose Blätter flogen auf den Boden.
»Verdammt, was soll ich bloß tun?«, flüsterte sie und schüttelte wieder den Kopf. Sie dachte daran, Mr Bob anzurufen, verwarf die Idee aber gleich wieder. Sie hatte das Gefühl, dass sie keine neuen Namen mehr bekäme, wenn sie sich beschwerte. Sie würde von Operation Winnow ausgeschlossen werden. So einfach war das.
Jazz zuckte mit den Schultern. Sie machte sich große Sorgen, aber ihr fiel nichts ein. Allerdings wusste sie, dass sie vorsichtig sein musste, weil dieser dämliche Typ so, wie er redete, ordentliche Wellen schlagen konnte.
Als sich die Fahrstuhltür öffnete, stieg Roger im sechsten Stock aus. Links lag hinter einer zweiflügligen Tür die Krankenstation, rechts die Frauen- und Entbindungsstation. Diese Tür stieß er auf. Anders als in der Chirurgie herrschte hier reges Treiben. Ein Pfleger schob eine Rolltrage mit einer abgedeckten Leiche zum Patientenfahrstuhl. Roger nahm an, dass es die Tote war, wegen der er hier heraufgekommen war.
An der Schwesternstation blieb er einen Moment stehen und beobachtete die Ärzte und Pfleger, die sich wahrscheinlich über den gescheiterten Wiederbelebungsversuch unterhielten. An der Wand im Flur stand ein Wagen mit dem Defibrillator.
»Entschuldigen Sie«, unterbrach Roger eine Frau direkt vor sich, die eine Karteikarte ausfüllte. Wie Jazz trug auch sie einen Overall, strahlte aber Höflichkeit und Respekt aus und war, ebenso im Unterschied zu Jazz, leicht übergewichtig und hatte ein paar Sommersprossen auf der Nase. »Könnten Sie mir sagen, wo ich die Stationsschwester finde?«
»Die bin ich. Meryl Lanigan. Was kann ich für Sie tun?«
Roger stellte sich vor und sagte, er wolle sich wegen des nächtlichen Todesfalls erkundigen.
»Sie hieß Patricia Pruit«, erzählte Meryl. »Das hier ist ihre Krankenakte. Möchten Sie sie sehen?«
»Ja, gern.« Roger überflog rasch die Akte. Die Angaben entsprachen dem, was er erwartet hatte. Patricia Pruit war eine gesunde, siebenunddreißigjährige Mutter von drei Kindern gewesen. Am Morgen zuvor war ihr in einem umkomplizierten Eingriff wegen einer gutartigen Geschwulst die Gebärmutter entfernt worden. Alles war glatt verlaufen, und sie hatte bereits wieder Flüssigkeit zu sich genommen. Dann war es zur Katastrophe gekommen.
Roger blickte auf Meryl hinab, die wartete, bis Roger ihr das Krankenblatt zurückgab.
»Was für eine Tragödie«, meinte Roger. »Und bei dem Alter und Gesundheitszustand so unerwartet.«
»Ja, es bricht einem das Herz«, stimmte Meryl zu. Sie schlug die Krankenakte auf.
»Es gab während der letzten fünf Wochen noch andere, ziemlich ähnliche Todesfälle auf anderen Stationen«, meinte Roger.
»Davon habe ich gehört. Zum Glück ist das hier unser erster. Uns trifft es natürlich härter als andere, weil wir an viel erfreulichere Ergebnisse gewöhnt sind.«
»Ich hätte da ein paar Fragen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Haben Sie heute
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