Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
geleugnet, wurde aber trotzdem verprügelt, ebenso wie Mariana, die zu Recht nicht erklären konnte, wie der Hund aus dem Badezimmerfenster fallen konnte. Doch Jazz fand, dass die Rache die Schläge wert waren, auch wenn sie damals schreckliche Angst gehabt hatte. Sie hatte immer Angst gehabt, wenn ihr Vater sie geschlagen hatte, was oft vorgekommen war, bis Jazz groß genug gewesen war, um zurückzuschlagen.
Jazz schloss die Kontostandsanzeige und sah auf die Uhr. Es war noch zu früh, um zur Arbeit zu gehen, aber zu spät fürs Fitnessstudio. Um eine neue Runde mit ihrem Computerspiel zu beginnen, war sie viel zu zappelig. Also entschied sie sich, nach unten in den koreanischen Laden zu gehen, der rund um die Uhr geöffnet hatte, um ein paar Sachen zu besorgen. Sie hatte keine Milch mehr, aber am nächsten Morgen nach der Nachtschicht würde sie mit Sicherheit welche trinken wollen.
Als sie den Mantel anzog, schob sie die Hand automatisch in die Tasche, um nach der Glock zu greifen. Trotz des langen Schalldämpfers ließ sich die Waffe problemlos herausziehen, und sie richtete sie auf ihr Spiegelbild neben der Tür. Das Loch in der Mündung sah aus wie die Pupille eines einäugigen Wahnsinnigen. Kichernd senkte Jazz die Waffe und kontrollierte das Magazin. Es war voll, wie immer. Voller Genuss hörte sie, wie es mit einem Klick wieder einrastete. Dann schnappte sie sich ihre Leinentasche, die sie zum Einkaufen benutzte, und hängte sie sich über die Schulter.
Draußen war es ziemlich mild. Der März in New York zeigte sich wechselhaft: An einem Tag hatte man das Gefühl, es sei Frühling, am nächsten war es kalt wie mitten im Winter. Jazz hatte die Hände in die Taschen geschoben, umklammerte auf der einen Seite die Glock, auf der anderen ihr Blackberry. Ihren Besitz fest zu halten, war beruhigend für sie. Abends kurz nach halb neun herrschte in der Seitenstraße, in der Jazz Richtung Columbus Avenue entlangging, nicht nur reger Autoverkehr, auch viele Fußgänger waren unterwegs. Als sie an ihrem glänzenden Auto vorbeikam, musste sie kurz stehen bleiben, um es zu bewundern. Sie hatte am Nachmittag das milde Wetter als Entschuldigung genutzt, um ihn zu waschen. Als sie weiterging, sinnierte sie wie so oft darüber, welches Glück sie gehabt hatte, Mr Bob zu begegnen.
Auf der Columbus Avenue ging es sogar noch lebhafter zu. Das Dröhnen der Dieselmotoren, die hupenden Fahrzeuge und die quietschenden Reifen hätten erdrückend sein können, doch Jazz war an diesen Lärm gewöhnt. Das Stückchen Himmel, das zwischen den Gebäuden zu sehen war, schimmerte im Licht der Stadt mattgrau. Nur ein paar der hellsten Sterne waren zu sehen.
Vor dem Laden waren Auslagen mit Obst, Gemüse, Schnittblumen und einigen anderen Sachen aufgebaut. Im Laden selbst war es voll wie auf der Straße, vor der einzigen Kasse stand eine Schlange. Jazz nahm sich ihre Sachen – Brot, Eier, Müsliriegel, Mineralwasser und Milch – und ging leicht angespannt, aber gut gelaunt wieder hinaus vor den Laden, wo sie scheinbar das Obst begutachtete. Dann, als sie den richtigen Moment für gekommen hielt, weil der Besitzer an der Kasse zu tun hatte und seine Frau hinten irgendwas holte, drehte sie sich einfach um und ging nach Hause. Als sie weit genug entfernt war, um davon ausgehen zu können, dass niemand hinter ihr herkommen und sie zur Rede stellen würde, musste sie über die dämlichen Besitzer lachen. Bei Läden mit mehreren Eingängen war es so einfach, abzuhauen, ohne zu bezahlen. Warum bezahlte überhaupt noch jemand? Sie selbst konnte sich kaum daran erinnern, wann sie es das letzte Mal getan hatte.
Zurück in ihrer Wohnung, verstaute Jazz die Sachen im Kühlschrank und blickte auf die Uhr. Immer noch zu früh, um zur Arbeit zu gehen. Dabei bemerkte sie, dass wieder das Fensterchen auf ihrem Bildschirm blinkte und anzeigte, dass eine E-Mail eingetroffen war.
Konnte es sein, dass der Auftrag mit Stephen Lewis storniert worden war? So etwas war allerdings noch nie vorgekommen. Schnell setzte sich Jazz an den Schreibtisch und klickte auf das Fenster. Ihre Sorge verstärkte sich schlagartig, als sie sah, dass die neue E-Mail ebenfalls von Mr Bob stammte. Überrascht und erleichtert stellte sie dann aber fest, dass die Nachricht lediglich einen zweiten Namen enthielt: Rowena Sobczyk.
»Ja!«, rief Jazz, während sie leicht die Augen schloss und aufgeregt die Hände zu Fäusten ballte. Nachdem sie seit über einem Monat keine Namen
Weitere Kostenlose Bücher