Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Goldenen Zeitalter gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
Adam hatte bis jetzt immer, wenn er in der Stadt war, im Pierre gewohnt, schon als kleines Kind und auch später noch, als er schon in Harvard war. Er hatte auch bei diesem Auftrag darauf bestanden, sehr zum Missfallen seines Auftraggebers. Dieser hatte immer wieder versucht, ihn zu einer Unterkunft in einer weniger stark überwachten Gegend zu überreden, wo ihm auch der Range Rover ohne zeitliche Verzögerung zur Verfügung gestanden hätte. Doch Adam hatte auf dem Pierre bestanden. Er wollte wissen, ob er so etwas wie Nostalgie verspürte. Eigentlich glaubte er es nicht. Es war, als hätten seine Erlebnisse im Irak und besonders die Geheimmissionen, dadurch, dass er Grausamkeiten erlebt und begangen hatte, die er sich vor Irak nicht einmal im Traum hätte vorstellen können, sämtliche Gefühle in ihm abgetötet. Und was das Schlimmste daran war: All diese Taten, sogar das Töten, machten ihm mittlerweile Spaß.
Seine Irak-Erfahrung hatte mit einem katastrophalen Schlussakkord während einer Geheimmission, die auf fürchterliche Art und Weise schiefgegangen war, geendet. Er und der Rest seines Teams wurden versehentlich von ihren eigenen Leuten, die sie selbst zur Unterstützung gerufen hatten, unter Beschuss genommen. Zwar war Adam, im Gegensatz zu seinen Kameraden, dabei nicht ums Leben gekommen, doch war er mit einem gebrochenen Bein bewusstlos liegen geblieben. In diesem verwundbaren Zustand war er von denjenigen, die er und seine Leute eigentlich umbringen oder gefangen nehmen sollten, als Geisel genommen worden.
Adam war zwar im Rahmen seiner Ausbildung auch auf eine mögliche Gefangennahme vorbereitet worden, aber die Qualen, die er als Kriegsgefangener erdulden musste, überstiegen seine Vorstellungskraft. Niemand kümmerte sich um sein gebrochenes Bein, das ihm daher permanente Schmerzen bereitete. Schlimmer noch waren jedoch die immer wiederkehrenden Folterungen, in deren Verlauf er sich jedes Mal aufs Neue sicher war, dass er im nächsten Augenblick erschossen oder gehängt würde.
Er war auch mit dem durchaus gängigen psychologischen Phänomen des »Stockholm-Syndroms« vertraut gemacht worden, aber als er es selbst erlebte, war das ein Schock. Nach einigen Monaten in Gefangenschaft fing er an, sich mit seinen Entführern und ihrer wirren Ideologie zu identifizieren. Er hatte sogar ein Video gemacht, das über den Fernsehsender Al-Jazeera ausgestrahlt worden war und in dem er für die Sache der Aufständischen Partei ergriffen und die Motive der Vereinigten Staaten für ihren Einmarsch in den Irak verdammt hatte. Er war mittlerweile so verwirrt, dass er nach seiner Freilassung im Austausch gegen einige gefangene Rebellen, die ein FBI-Unterhändler erreicht hatte, nicht wusste, ob er sich über seine Rückkehr in die Heimat nun freuen oder lieber traurig sein sollte. Er hatte instinktiv gespürt, dass er auf gar keinen Fall mehr in sein altes Leben zurückkehren konnte. Das war schlicht und ergreifend unmöglich gewesen.
Adam bog nach links in die 61 st Street ein und hielt auf der Hälfte des Straßenzuges vor dem Baldachin am Eingang des Pierre an. Der Türsteher tippte sich an die Mütze und machte die Tür des Range Rover auf. »Sie kommen gerade an, Sir?«
Adam nickte nur und stieg aus dem Wagen. Er folgte dem Portier zum Heck und griff, nachdem dieser die Heckklappe geöffnet hatte, sofort nach der Tennistasche mit seinem Handwerkszeug. Die kleine Tasche mit seinen Kleidern ließ er tragen.
»Benötigen Sie den Wagen heute Abend noch einmal?«, erkundigte sich der Türsteher, als er Adam die Hoteltür aufhielt.
Adam nickte erneut.
»Gut, dann stelle ich ihn gleich hier in der Nähe ab«, meinte der Portier und deutete auf den Empfangstresen.
Diesen Hinweis hätte Adam nicht gebraucht, da sich die Eingangshalle während der letzten ungefähr zwanzig Jahre, in denen er hier in unregelmäßigen Abständen zu Gast war, kaum verändert hatte. Er blieb neben dem blumengeschmückten Tisch in der Mitte des Teppichs stehen und ließ den Blick über die vertraute Umgebung wie zum Beispiel die etwas erhöhte Sitzgruppe zu seiner Rechten und das weitgehend aus dem England des 19. Jahrhunderts stammende Mobiliar schweifen. Wie erwartet fühlte er nichts. Der Anblick löste keinerlei Gefühle aus. Es war, als gehörten seine Erinnerungen zum Leben eines anderen Menschen.
Die Anmeldung ging erfreulich schnell vonstatten, danach rief die Dame vom
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