Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Chancen also von Anfang an nicht.«
»Warum lassen die Angels-Kliniken diese Patienten nicht früher verlegen?«
»Verdammt gute Frage. Ich könnte mir vorstellen, dass die postoperativen Infektionen dieser Patienten sich einfach wahnsinnig schnell entwickeln. Ich meine, die Frau ist ja erst heute Morgen um halb acht operiert worden. In der Akte steht, dass sich die ersten unspezifischen Symptome gegen 16.00 Uhr gezeigt haben. Das ist wirklich ein höllisch schneller Verlauf.«
»Aber nachvollziehbar angesichts all der Toxine, die Staphylokokken ausschütten können. Ich würde eine ganze Stange Geld darauf wetten, dass wir im Bakterienstamm dieser Patientin ein PVL-Gen finden würden.«
»Kommt es Ihnen nicht merkwürdig vor, dass die Angels-Kliniken so viele MRSA-Fälle haben?«, wollte Dr. Flanagan wissen.
»Ja und nein. Was postoperative Infektionen angeht, sind Staphylokokken das häufigste Pathogen überhaupt, und der Anteil der MRSA, der in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts noch bei rund zwei Prozent gelegen hat, beträgt heute schon an die sechzig Prozent, Tendenz weiter steigend.«
»Ehrlich gesagt, was mich bei der ganzen Sache am meisten beschäftigt, ist dieses ganze Dilemma der Spezialkliniken. Sie verfügen einfach nicht über die notwendige Ausstattung, um mit solchen Fällen fertig zu werden, deshalb müssen sie ihre Patienten verlegen, sobald es kritisch wird. Es gab da mal einen Fall, da hat ein Patient in einer Spezialklinik – ich glaube, das war auch eine orthopädische Klinik – einen Herzanfall bekommen. Wissen Sie, was die dann gemacht haben?«
»Nein.«
»Haben die Neuneinseins gewählt.«
»Sie wollen mich auf den Arm nehmen!«, platzte Dr. Ravelo ungläubig hervor.
»Es war schlicht und einfach kein Arzt vor Ort. Ist das nicht unglaublich?«
»Und hat der Patient überlebt?«
»Ich glaube nicht.«
»Das ist doch eine Farce.«
»Sehe ich ganz genau so, aber was soll man machen? Haben Sie die öffentliche Debatte um die Spezialkliniken verfolgt?«
»Ein bisschen habe ich schon mitbekommen, denke ich. Das ist einer der Vorteile an einer Universitätsklinik. Wir müssen uns wenigstens nicht ständig mit diesem ganzen Privatisierungsgezänk beschäftigen.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Es könnte sein, dass sich das früher oder später auch auf unsere Gehälter auswirkt. Der Hauptkritikpunkt an diesen privaten Spezialkliniken ist, dass sie nur an der Crème der Patienten interessiert sind, also an den wohlhabenden, gut versicherten, die bloß einen kurzen Eingriff vornehmen lassen wollen und dann schnell wieder nach Hause gehen. Solche Kliniken sind die reinsten Goldesel, weil sie für den Eingriff genau gleich bezahlt werden wie die Uni-Klinik, dabei aber weder eine Intensivstation noch eine Notaufnahme unterhalten müssen, und die beiden sind alles andere als Goldesel. Dadurch haben sie eben sehr viel niedrigere Kosten.«
»Aber hat nicht die Regierung vor einiger Zeit einen Baustopp für solche Spezialkliniken verfügt? War das der Grund dafür?«
»Nein«, erwiderte Dr. Flanagan. »Der Staat hat sich eine Zeit lang – genauer gesagt von Ende 2003 bis Ende 2006 – dagegen gestellt, weil diese Spezialkliniken darauf angewiesen sind, dass Ärzte sich finanziell an ihnen beteiligen und so ein gewisses Patientenaufkommen garantieren. Gleichzeitig ist es den Ärzten aber per Gesetz untersagt, Patienten an medizinische Einrichtungen wie zum Beispiel Röntgenpraxen oder medizinische Labors zu überweisen, wo sie gleichzeitig Miteigentümer sind. In Bezug auf Kliniken gibt es da eine Gesetzeslücke, weil der Gesetzgeber dachte, dass ein ganzes Krankenhaus so groß ist, dass es kaum zu irgendwelchen Interessenskonflikten kommen kann.«
»Aber eine Spezialklinik ist nun mal kein komplettes Krankenhaus!«, sagte Dr. Ravelo unwirsch. »Dort werden ja nur einige wenige Leistungen angeboten.«
»Ganz genau! Aber dadurch, dass sie sich als vollwertigen Klinikbetrieb darstellen, können sie sich diese Gesetzeslücke zunutze machen.«
»Und warum wurde das Moratorium dann wieder aufgehoben?«
»Ich habe keine Ahnung. Es gab etliche Anhörungen zu dem Thema, auf denen all die genannten Punkte klar und deutlich zur Sprache gekommen sind. Die meisten Leute, die sich mit der Materie beschäftigt haben und entweder selbst bei den Anhörungen anwesend waren oder darüber gelesen haben, waren der Meinung, dass das Moratorium auf jeden Fall verlängert und sogar noch
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