Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
wie er hoffte, zum letzten Mal an diesem Tag zum Hörer.
»Haben Sie dieses Mal wenigstens gute Nachrichten?«, wollte Shashank wissen, sobald er den Anrufer erkannte.
»Ich wünschte, es wäre so«, entgegnete Ramesh. »Bedauerlicherweise ist heute Abend schon wieder ein Medizintourist ums Leben gekommen. CNN International hat bereits darüber berichtet.«
»Wieder im Queen Victoria Hospital?«, erkundigte sich Shashank knapp. Er war offensichtlich nicht in Plauderstimmung.
»Das ist der einzig positive Aspekt an dieser Sache«, sagte Ramesh. »Dieses Mal war es das Aesculapian Medical Center.« In gewisser Hinsicht war diese Bemerkung eine Provokation, denn er wusste genau, dass das Aesculapian Medical Center genauso zu Shashanks Imperium gehörte wie das Queen Victoria Hospital. »Allerdings war der Patient in diesem Fall relativ jung und hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Eine solche Geschichte facht aufgrund des Mitleidseffekts das Medieninteresse in der Regel noch zusätzlich an.«
»Das brauchen Sie mir nicht extra zu sagen, das weiß ich bereits.«
»Das andere Problem ist diese Jennifer Hernandez. Irgendwie hat sie sich auch hier schon wieder eingemischt, genau wie in den letzten Fall, und das, obwohl es eine andere Klinik war.«
»Was hat sie denn gemacht?«
»Sie werden verstehen, dass wir in solch sensiblen Fällen eine Obduktion vermeiden wollen, weil dadurch normalerweise nur zusätzliches Öl ins Feuer gegossen wird. Je weniger Aufmerksamkeit, desto besser, darum geben wir den Medien möglichst wenig Informationen, und das gilt ganz besonders für relevante Informationen. Obduktionen fallen in aller Regel genau in diese Kategorie.«
»Ich verstehe. Das leuchtet mir ein. Lassen Sie mich nicht noch einmal fragen!«, grollte Shashank. »Was hat sie gemacht?«
»Sie hat die beiden Witwen irgendwie dazu überredet, eine Obduktion zu verlangen.«
»Scheiße!«, blaffte Shashank.
»Was mich interessieren würde«, sagte Ramesh und versuchte, seiner Stimme einen beiläufigen Klang zu geben: »Heute Nachmittag habe ich Sie gefragt, ob Sie vielleicht jemanden wüssten, der mit ihr sprechen könnte, um sie davon zu überzeugen, dass ihre Aktivitäten ihren persönlichen Interessen abträglich sind und dass es vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, sehr viel besser für sie wäre, wenn sie die sterblichen Überreste ihrer Großmutter mit zurück nach Amerika nimmt, bevor sie dem medizinischen Tourismus in Indien ernsthaften Schaden zufügt. Am späten Nachmittag habe ich erfahren, dass eine ganze Anzahl von Patienten nicht nur aus Amerika, sondern auch aus Europa ihre bereits terminierten Operationen in letzter Minute abgesagt haben.«
»Abgesagt, sagen Sie?«
»Jawohl, abgesagt«, wiederholte Ramesh. Shashank war ein wirtschaftlich denkender Mensch und würde daher sehr schnell den Zusammenhang zwischen Absagen und Umsatzverlusten herstellen.
»Ich muss gestehen, dass ich heute Nachmittag zunächst einmal darauf verzichtet habe, Ihren Vorschlag in die Tat umzusetzen«, grollte Shashank. »Aber ich werde mich sofort darum kümmern.«
»Ich glaube, Sie tun damit dem medizinischen Tourismus in Indien einen großen Gefallen. Und, falls Sie es vergessen haben sollten: Sie wohnt im Amal Palace Hotel.«
Kapitel 23
Mittwoch, 17. Oktober 2007
22.58 Uhr
Neu-Delhi, Indien
B itte entschuldigen Sie, Sir«, sagte die Stewardess und rüttelte Neil McCulgan sanft an der Schulter. »Würden Sie bitte Ihre Rückenlehne senkrecht stellen? In wenigen Minuten landen wir auf dem Indira Gandhi International Airport.«
»Danke.« Neil gähnte, setzte sich aufrecht und versuchte, eine bequeme Sitzposition zu finden. Beim Start in Singapur hatten sie noch anderthalb Stunden Verspätung gehabt, aber jetzt nur noch eine Stunde. Irgendwie hatten sie eine halbe Stunde gutgemacht, obwohl sie durch das Starkwindband des Jetstreams geflogen waren.
»Ich bin beeindruckt, wie gut Sie im Flugzeug schlafen können«, sagte Neils unmittelbarer Sitznachbar.
»Einfach nur Glück, schätze ich mal«, erwiderte Neil. Er hatte sich während der ersten Stunde mit dem Mann unterhalten und dabei erfahren, dass er in Nordwest-Indien Viking-Küchengeräte verkaufte. Das Gespräch war interessant gewesen, und er hatte festgestellt, wie wenig er als Notarzt über die Welt im Allgemeinen wusste.
»Wo wohnen Sie denn in Delhi?«, wollte der Fremde wissen.
»Im Amal Palace Hotel«, sagte Neil.
»Wollen wir uns ein Taxi
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