Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
Darfur an. Doch kaum hatte sie es sich bequem gemacht, da klingelte das Telefon. Das erste Klingeln war kaum verklungen, als sie schon den Hörer in der Hand hatte. Wie erhofft, war es Rita, aber ihre Stimme hatte sich verändert. Sie klang jetzt so erstickt, dass sie kaum ein Wort hervorbrachte.
»Ich weiß nicht, wer Sie sind oder was für ein Mensch Sie sind, aber mein Mann ist tot.«
»Es tut mir wirklich furchtbar leid, und es ist mir ganz bestimmt alles andere als leichtgefallen, Ihnen das sagen zu müssen. Der einzige Grund dafür ist der, dass ich Sie warnen wollte. Es könnte sein, dass die Klinik Sie zu einer schnellen Entscheidung drängen will, ob der Leichnam eingeäschert oder einbalsamiert werden soll.«
»Was spielt das denn noch für eine Rolle?«, fauchte Rita.
»Anschließend ist keine Obduktion mehr möglich. Es sieht bereits jetzt danach aus, als gäbe es Parallelen zwischen dem unerwarteten Ableben Ihres Mannes und dem meiner Großmutter und Mr Benfattis. Ich nehme doch an, dass der Tod Ihres Mannes völlig unerwartet war?«
»Total! Wir haben uns erst vor einem Monat die Zustimmung seines Kardiologen eingeholt.«
»Genauso war es bei meiner Großmutter und bei Mr Benfatti auch. Um ehrlich zu sein, ich befürchte fast, dass wir es hier nicht mit natürlichen Todesfällen zu tun haben. Das habe ich gemeint, als ich gesagt habe, dass da etwas faul ist.«
»Wie meinen Sie das genau?«
»Ich fürchte, dass der Tod absichtlich herbeigeführt wurde.«
»Sie meinen, jemand hat meinen Mann umgebracht?«
»Irgendwie schon, ja«, erwiderte Jennifer und erkannte in diesem Augenblick, wie paranoid ein solcher Satz sich anhörte.
»Aber wieso? Hier kennt uns doch niemand. Niemand hätte etwas davon.«
»Darauf weiß ich leider keine Antwort. Aber morgen Abend kommen zwei Kriminalpathologen hier an, mit denen ich befreundet bin. Sie wollen mir mit meiner Großmutter behilflich sein. Ich könnte sie bitten, sich auch den Fall Ihres Mannes einmal anzuschauen.« Jennifer war klar, dass sie das eigentlich mit Laurie und Jack hätte abstimmen müssen, aber sie ging davon aus, dass die beiden dazu bereit sein würden. Und sie wusste, dass eine Verschwörung sich umso leichter aufklären ließ, je mehr Fälle man hatte.
Jennifer hörte, wie Rita sich die Nase putzte, bevor sie den Hörer wieder in die Hand nahm. Ihr Atem ging stoßweise, während sie versuchte, ihre Trauer in den Griff zu bekommen.
»Bitte, Mrs Lucas. Lassen Sie nicht zu, dass da womöglich Indizien vernichtet werden. Das sind wir unseren Liebsten schuldig. Und Sie könnten die Person, die Ihren Mann gefunden hat, fragen, ob er blau angelaufen war. Das war bei meiner Granny der Fall und bei Mr Benfatti auch.«
»Wieso ist das wichtig?«, wollte sie wissen und kämpfte mit den Tränen.
»Ich weiß es nicht. Wenn meine Befürchtungen sich bestätigen sollten, dann kann man nie wissen, welche Faktoren zur Lösung des Rätsels beitragen. Das habe ich im Medizinstudium gelernt. Man weiß einfach nicht, was sich später als wichtig erweisen wird.«
»Sind Sie Ärztin?«
»Noch nicht ganz. Ich studiere Medizin. Im Juni 2008 mache ich mein Examen.«
»Warum haben Sie mir das nicht vorher gesagt?«, wollte sie jetzt wissen, allerdings weit weniger scharf als zuvor.
»Ich hätte nicht gedacht, dass das wichtig ist«, erwiderte Jennifer, aber dann fielen ihr etliche Gelegenheiten ein, wo andere Menschen ihr tatsächlich nur deshalb sehr viel Vertrauen entgegengebracht hatten, weil sie Medizin studierte.
»Ich kann Ihnen nichts versprechen«, sagte Rita, »aber ich fahre jetzt gleich in die Klinik, und ich werde über Ihre Worte nachdenken. Ich rufe Sie morgen Früh wieder an.«
»Einverstanden«, sagte Jennifer.
Dass Rita sich mit einem »Auf Wiederhören« verabschiedete, stimmte Jennifer optimistisch. Die Frau würde sich bestimmt nicht nur melden, sondern ihr auch helfen. Abschließend dachte sie noch etwas länger über diesen dritten Todesfall am dritten Abend hintereinander nach und fühlte sich unwillkürlich an ein berühmtes Shakespeare-Zitat erinnert: »Etwas ist faul im Staate Dänemark.« Aber gleichzeitig fragte sie sich, ob sie diese ganze Verschwörungsgeschichte nicht lediglich als Vorwand benutzte, um den Tod ihrer Großmutter zu verdrängen.
Kapitel 22
Mittwoch, 17. Oktober 2007
22.11 Uhr
Neu-Delhi, Indien
R amesh Srivastava nahm all seine Kraft zusammen, um nicht aus der Haut zu fahren. Jetzt war es
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