Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
danke fürs Mitnehmen.«
»Mach ich«, erwiderte Neil. Er nahm einem Gepäckträger mit einiger Mühe sein Handgepäck ab und bestand darauf, es eigenhändig ins Hotel zu befördern – der Koffer war schließlich nicht nur leicht, er hatte auch noch Räder.
Die Anmeldung erfolgte im Sitzen an einem Schreibtisch, und als Neil dem förmlich gekleideten Hotelangestellten, der sich als Arvind Sinha vorgestellt hatte, seinen Reisepass reichte, erkundigte er sich gleich, ob vielleicht eine gewisse Jennifer Hernandez hier abgestiegen sei. Ohne dass der Angestellte es sehen konnte, drückte er beide Daumen.
»Ich kann nachsehen, Sahib«, sagte Arvind und zog eine Tastatur aus einem Fach unterhalb der Schreibtischplatte hervor. »Ja, in der Tat.«
Ja!, jubelte Neil innerlich. Seitdem ihm eingefallen war, dass Jennifer womöglich schon wieder abgereist sein könnte, hatte er sich mit Zweifeln gequält. »Können Sie mir ihre Zimmernummer geben?«
»Es tut mir leid, aber das kann ich nicht«, meinte Arvind entschuldigend. »Das ist aus Sicherheitsgründen nicht gestattet. Die Zentrale kann Sie aber telefonisch verbinden, falls Ms Hernandez ihr Telefon nicht gesperrt hat und Sie der Meinung sind, dass Sie jetzt noch anrufen können. Es ist schon nach Mitternacht.«
»Ich verstehe«, sagte Neil. Sosehr er sich darüber freute, dass sie tatsächlich hier war, ein kleines bisschen enttäuscht war er trotzdem. Er hatte zumindest vorgehabt, sich vor ihre Tür zu stellen und zu lauschen. Und falls er den Fernseher gehört hätte, hätte er angeklopft. »Können Sie mir sagen, ob sie vielleicht schon morgen abreisen will?«, fragte Neil.
Arvind wandte sich wieder der Tastatur zu und schaute anschließend auf den Monitor. »Nein, ein Abreisedatum ist nicht eingetragen.«
»Gut«, sagte Neil.
Die Formalitäten waren in ein paar Minuten erledigt. Arvind stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Darf ich Ihnen jetzt Ihr Zimmer zeigen?«
Neil erhob sich ebenfalls.
»Haben Sie einen Gepäckschein?«
»Nein, das hier ist alles«, erwiderte Neil und griff nach seiner Tasche. »Ich reise mit leichtem Gepäck.« Während er hinter dem Angestellten her am Haupteingang vorbei zu den Fahrstühlen ging, überlegte er, wie er am Morgen Jennifer überraschen sollte. Da er aber nicht wusste, was sie vorhatte, gelangte er letztendlich zu dem Schluss, dass er wohl improvisieren musste.
»Verzeihung, Mr Sinha«, sagte Neil, während sie im Fahrstuhl nach oben schwebten. »Können Sie dafür sorgen, dass ich um 8.15 Uhr geweckt werde?«
»Aber natürlich, Sir.«
Kapitel 24
Donnerstag, 18. Oktober 2007
7.30 Uhr
Neu-Delhi, Indien
J ennifer war gefangen in einem immer wiederkehrenden Albtraum. Er handelte von ihrem Vater, und sie träumte ihn oft, vor allem, wenn sie gestresst war. Sie hatte nie jemandem davon erzählt, aus Angst vor der Reaktion. Sie wusste ja selbst nicht einmal genau, was sie davon halten sollte. In diesem Traum war ihr Vater mit grausam verzerrtem Gesicht hinter ihr her, während sie immer wieder »Aufhören!« schrie. Schließlich landeten sie in der Küche, wo sie nach einem Schlachtermesser griff und es drohend erhob. Er kam trotzdem immer näher und sagte höhnisch: »Du traust dich ja doch nicht.« Dann stach sie zu, ließ wieder und wieder das Messer auf ihn niedersausen, aber er lachte nur.
Normalerweise wachte sie immer an diesem Punkt auf, schweißgebadet, und so war es auch heute. Sie war durcheinander, und es dauerte einige Augenblicke, bis ihr bewusst wurde, dass sie ja im Augenblick in Indien war und dass das Telefon klingelte. Hektisch griff Jennifer nach dem Hörer, begleitet von dem irrationalen Gedanken, der Anrufer könnte ihre mordlüsternen Aktivitäten beobachtet haben.
Der Anrufer war, wie sich herausstellte, eine Anruferin, nämlich Rita Lucas. Sie registrierte die Anspannung in Jennifers Stimme. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
»Nein, nein, alles in Ordnung«, erwiderte Jennifer. So langsam fand sie sich wieder in der Wirklichkeit zurecht. »Ich habe nur schlecht geträumt.«
»Es tut mir leid, dass ich so früh anrufe, aber ich wollte Sie auf jeden Fall noch erwischen. Am liebsten hätte ich schon viel früher angerufen. Ich habe keine Sekunde geschlafen. Die Nacht habe ich größtenteils in der Klinik verbracht.«
Jennifer warf einen Blick auf ihren Wecker. Es dauerte einen Augenblick, bis sie die Uhrzeit erkannt hatte, weil der große und der kleine Zeiger fast gleich groß
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