Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
waren.
»Ich hatte gehofft, wir könnten vielleicht zusammen frühstücken.«
»Das wäre sehr schön.«
»Ließe sich das bald machen? Ich bin völlig erschöpft. Und kann ich Sie bitten, zu mir ins Imperial zu kommen? Ich fürchte, ich sehe genauso furchtbar aus, wie ich mich fühle.«
»Aber gerne. Ich mache mich schnell fertig, das dauert keine halbe Stunde. Ist es weit vom Amal Palace bis zum Imperial? Wissen Sie das?«
»Nicht, gar nicht. Das Imperial ist oberhalb des Janpath-Marktes.«
»Ich weiß leider gar nicht, wo der Janpath-Markt ist.«
»Ganz in der Nähe. Mit dem Taxi sind es vielleicht fünf Minuten.«
»Dann müsste ich eigentlich kurz vor acht da sein«, sagte Jennifer, warf die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett.
»Wir treffen uns im Frühstückssaal. Der liegt am hinteren Ende des Foyers, auf der rechten Seite.«
»Bis in einer halben Stunde«, sagte Jennifer.
Jennifer legte einen Zahn zu. Als Medizinstudentin hatte sie ihre morgendlichen Handgriffe bis zur Perfektion optimiert. Ihr war schnell klar geworden, dass sie lieber ein bisschen Stress auf sich nahm, wenn sie dafür eine Viertelstunde länger schlafen konnte.
Sie war froh, dass Rita Lucas mit ihr reden wollte. Jennifer wollte unbedingt erfahren, unter welchen Umständen dieser dritte amerikanische Medizintourist ums Leben gekommen war und wie viel Ähnlichkeit sein Tod mit den beiden anderen besaß.
Während sie sich duschte und anzog, überlegte sie, wie sie den Rest des Tages gestalten sollte. Sie wollte einen großen Bogen um das Queen Victoria Hospital machen, damit sie sich nicht noch mehr über diese nervtötende Patientenbetreuerin aufregte. Also musste sie sich für den späteren Vormittag, die Mittagszeit, den Nachmittag und das Abendessen etwas überlegen, um sich nicht ständig mit der frustrierenden Tatsache zu beschäftigen, dass sie in Bezug auf ihre Großmutter erst nach Lauries Ankunft etwas unternehmen konnte. Was sie am späteren Abend vorhatte, wusste sie genau, und sie freute sich unbändig auf die Fahrt zum Flughafen.
Als sie mit einem Reiseführer in der Hand ihr Zimmer verließ, war sie richtig stolz auf sich. Es war erst 7.53 Uhr, vermutlich ein neuer persönlicher Rekord. Im Fahrstuhl, auf dem Weg nach unten, schmiedete sie wieder Pläne für den heutigen Tag. Sie wollte sich mit Lucinda Benfatti zum Mittagessen oder Abendessen oder zu beidem treffen. Am Vormittag – vorausgesetzt, das Frühstück zog sich nicht allzu sehr in die Länge – wollte sie ein paar Sehenswürdigkeiten besichtigen, auch wenn ihr so etwas eigentlich keinen großen Spaß machte. Aber es wäre doch eine Schande gewesen, so weit zu reisen, ohne wenigstens ein paar Eindrücke zu bekommen. Am Nachmittag wollte sie dann noch eine Weile in den Fitnessraum gehen und sich anschließend einfach an den Pool legen, was sie sich sonst nur sehr selten gönnte.
Sie erkundigte sich bei einem der Türsteher des Amal Palace nach dem Weg zum Imperial Hotel. Dieser erwiderte, dass sie sich nur an die Straße zu stellen und eine der gelb-grünen Motorrikschas herbeizuwinken brauchte, wenn ihr der Sinn nach einem kleinen Abenteuer stand. Jennifer verstand das als eine Art Herausforderung und beschloss, seinen Rat zu befolgen, vor allem, nachdem er hinzugefügt hatte, dass das während der morgendlichen Stoßzeit sehr viel schneller sei als ein normales Taxi.
Zunächst machte das Fahrzeug mit seinen drei Rädern und den offenen Seiten auf Jennifer einen gemütlichen Eindruck. Aber sobald sie auf der rutschigen Vinyl-Sitzbank Platz genommen hatte und das Fuhrwerk davonraste, als ginge es um ein Wettrennen, änderte sie ihre Meinung. Bei jedem ruckartigen Schaltvorgang wurde Jennifer entweder nach vorne oder nach hinten geschleudert und suchte verzweifelt nach irgendwelchen Griffen, um sich festzuhalten. Als sie schließlich ein gewisses Tempo erreicht hatten, wurde sie von links nach rechts und von rechts nach links geworfen, während der Fahrer sich durch Abgaswolken der zahlreichen Busse schlängelte. Die finale Schmach kam dann in Gestalt eines riesigen Schlaglochs. Jennifer wurde so heftig in die Luft geschleudert, dass sie mit dem Kopf gegen das Glasfiberdach prallte.
Das Schlimmste aber war die Szene, als der Fahrer seine Motorrikscha zwischen zwei Bussen hindurchzwängen wollte, die immer dichter aufeinander zufuhren. Er verschwendete offensichtlich keinen Gedanken daran, dass er von Fahrzeugen, die fünfzigmal so groß
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