Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
schmutzige Pflaster geschleudert. Die Handtasche um die Schulter geschlungen, so landete sie, alle viere von sich gestreckt, auf dem Boden und schürfte sich dabei die Nase und den rechten Ellbogen auf. Zu diesem Zeitpunkt kümmerte es sie nicht, wo sie genau gelandet war, da sie sich fast in derselben Sekunde wieder aufrappelte und zusammen mit den anderen das Weite suchte.
Sekunden später wurde der Basar von einer gewaltigen Menschenmenge überflutet, die wie eine riesige Welle vorwärtsschwappte und die Geschäfte umspülte, die sich genau wie Muscheln verhielten. Sobald sie von der Unruhe erfasst wurden, wurden die Türen von innen zugeklappt und Riegel vorgelegt, während die Ware auf der Straße niedergetrampelt wurde.
Jennifer hatte keine Ahnung, wohin sie rannte, ließ sich aber von ihren bestürzten Füßen bereitwillig irgendwohin tragen, Hauptsache weg von der Stelle, an der die Schüsse gefallen waren. Sie konnte an nichts anderes denken als an das flüchtige Bild des schwarz gekleideten Mannes, der ihr eine Waffe vors Gesicht hielt. Und wie sich seine linke Wange in der letzten Nanosekunde buchstäblich in Luft auflöste. Im einen Augenblick noch da und im anderen bereits nicht mehr zu erkennen. Der Mann hatte für den Bruchteil einer Sekunde ausgesehen wie die Inkarnation des Sensenmannes.
Allmählich wurde Jennifer sich auch der anderen bewusst. Sie rannten, jeder in eine etwas andere Richtung, aber die meisten liefen die Straße entlang, um hinter der nächsten Ecke zu verschwinden. Das Sprinttempo ließ Jennifer rasch müde werden, und sie sah, dass etliche Menschen in einem der größeren Geschäfte hinter der Abzweigung verschwanden. Der Ladenbesitzer war damit zwar nicht einverstanden und versuchte, seine Tür zu schließen, doch das runde halbe Dutzend Menschen ignorierte ihn einfach. Jennifer drängte sich hinter den anderen in den Laden, da sie weiter vorne zwei Polizisten in schmuddeligen Khaki-Uniformen entdeckt hatte, die versuchten, die Panik einzudämmen, indem sie mit Bambusstöcken auf die kopflos entgegenkommende Menge einschlugen.
Als sie sich dann in dem Laden umsah, stellte sie fest, dass sie in einer Schlachterei gelandet war. Im vorderen Teil stapelten sich zahllose winzige Käfige mit lebenden, gackernden Hühnern und ein paar Enten. Dahinter fanden sich ein paar Schweine und ein Lamm. Es stank und alles starrte vor Dreck. Der Boden war mit einer Kruste aus getrocknetem Blut überzogen. Überall krabbelten Fliegen herum. Jennifer hatte große Mühe, sie wenigstens von ihrem Gesicht fernzuhalten.
Während der Ladenbesitzer sich mit den anderen Fremden herumzankte, sah Jennifer sich nach einem Versteck um, wo sie zu Atem kommen und sich neu orientieren konnte. Sie war immer noch überwältigt vor Furcht, aber ihr war klar, dass sie jetzt nicht wählerisch sein durfte. Da entdeckte sie einen schmutzigen Vorhang, schob ihn ohne zu zögern beiseite und betrat den dahinterliegenden freien Raum.
Zu spät erkannte sie, dass sie ihren Fuß lediglich auf einem von zwei Backsteinen abstellen konnte. Der zweite Fuß kam auf den zweiten Backstein. Sie war aus Versehen in eine provisorische Toilette geraten. Sie versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und zog den Vorhang wieder zu. Als Nächstes schaffte sie es, sich umzudrehen, ohne dabei von den Steinen zu fallen. Das Ganze war nichts weiter als ein Loch, zwei Backsteine und ein Wasserhahn.
Der Streit zwischen dem Besitzer des engen Ladens und den Eindringlingen war immer noch in vollem Gang, auf Hindi, wie Jennifer annahm. Sie versuchte, nicht durch die Nase zu atmen. Der Gestank war ekelerregend.
Jetzt fing sie an zu zittern. Sie betrachtete ihre Hände und schnupperte vorsichtig daran. Worin sie nach ihrem Sturz aus der Fahrradrikscha auch gelandet sein mochte, es roch nicht gut. Aber wenigstens waren es keine Exkremente. Sie warf einen Blick auf den Wasserhahn, zuckte mit den Schultern und bückte sich, um sich die Hände abzuspülen. Das war genau der Zeitpunkt, als noch jemand den Laden zu betreten schien und anfing, sich mit dem Besitzer zu streiten, dieses Mal auf Englisch. Aber der Neuankömmling sagte nicht viel. Man hörte hauptsächlich den Besitzer schimpfen. Dann krachte es, die Schweine fingen an zu quieken und das Lamm zu blöken.
Jennifer bekam Angst, richtete sich auf, drehte sich um und lauschte. Es hörte sich an, als ob der Besitzer versuchte aufzustehen. Jennifer hatte gerade allen Mut zusammengenommen und
Weitere Kostenlose Bücher