Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
konnte sie während ihres Indienbesuchs ihre labile Gefühlswelt halbwegs im Zaum halten und Jennifer die Unterstützung bieten, die sie brauchte. Das war schließlich der Hauptgrund für die Reise. Doch gleichzeitig gestand sie sich ein, dass es ihr auch darum ging, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Marias Tod hatte ganz eindeutig Schuldgefühle in ihr geweckt.
Als Laurie wieder auf ihrem Platz saß, betrachtete sie Jack. Er schlief immer noch tief und fest und saß genauso da wie vor fünf Minuten. Mit einem sorglosen Lächeln auf den Lippen wirkte er vollkommen entspannt. Seine Haare waren ziemlich durcheinander, aber da er sie relativ kurz geschnitten hatte, sah es bei ihm nicht annähernd so schlimm aus wie bei ihr mit ihrem zerzausten Wischmopp.
So, wie sie vor ein paar Minuten schlagartig vom Ärger über Jacks Fähigkeit zu schlafen gepackt worden war, so wurde sie jetzt von den gegenteiligen Gefühlen überschwemmt. Ein anerkennendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Lauries Liebe zu Jack war größer, als sie sich jemals hätte vorstellen können, und sie empfand das als großes Geschenk.
In diesem Augenblick erwachten die Lautsprecher in der Flugzeugkabine krächzend zum Leben. Der Flugkapitän begrüßte alle Passagiere in Indien und gab bekannt, dass der Landeanflug auf den Indira Gandhi International Airport bereits begonnen hatte und dass sie in zwanzig Minuten landen würden.
Von Liebe übermannt, nahm Laurie Jacks Kopf in beide Hände und drückte ihm einen langen Kuss auf die Lippen. Er schlug die Augen auf und blinzelte, dann erwiderte er ihren Kuss. Laurie blickte ihn mit breitem Lächeln an. »Wir sind da«, sagte sie.
Jack setzte sich auf, streckte sich und schaute zum Fenster hinaus. »Ich kann gar nichts sehen.«
»Geht ja gar nicht. Überleg doch mal, es ist 22.40 Uhr. Wir landen so gegen elf.«
Die Landung verlief unspektakulär. Schon beim Verlassen des Flugzeugs und dem Gang durch den Terminal gerieten sie in Aufregung. Bei der Passkontrolle gab es keine Probleme, und auf ihr Gepäck brauchten sie auch nicht zu warten, da sie gar keines aufgegeben hatten. Die Zollbeamten winkten sie ohne zu zögern durch.
Als Laurie und Jack schließlich die Rampe hinter dem Zoll emporkamen, fing Jennifer wie wild an zu winken und ihre Namen zu rufen. Ihre Ungeduld war so groß, dass sie ihnen entgegenrannte und Laurie in ihre Arme schloss. »Willkommen in Indien«, sagte Jennifer freudig. »Danke, vielen, vielen Dank, dass ihr gekommen seid. Du ahnst ja nicht, wie viel mir das bedeutet.«
»Gern geschehen«, erwiderte Laurie lachend und auch ein wenig verdattert durch Jennifers Überschwang. Sie konnte sich erst wieder bewegen, nachdem ihre Freundin sie losgelassen hatte.
Dann umarmte Jennifer mit derselben Begeisterung auch Jack. »Dir auch vielen Dank«, sagte sie.
»Bitte, bitte«, presste dieser hervor und hielt verzweifelt seine Yankees-Baseballkappe fest.
Jennifer legte einen Arm um Lauries und den anderen um Jacks Schulter. So gingen sie gemeinsam und schwerfällig den Rest der Rampe hinauf, bis sie bei Neil angekommen waren. Er war nicht mit Jennifer nach unten gelaufen. Jennifer machte sie miteinander bekannt, und sie gaben sich die Hand.
Laurie reagierte zunächst einmal verwirrt auf Neils Anwesenheit und sagte das auch. Sie hatte gedacht, Jennifer sei alleine nach Indien gefahren.
»Neil ist ein Freund aus L.A.«, erläuterte Jennifer, immer noch überschwänglich vor Glück. »Ich habe ihn im ersten Studienjahr kennengelernt. Da war er gerade im letzten Ausbildungsstadium als Arzt in der Notaufnahme. Mittlerweile gehört er zum Leitungsteam. So was nennt man wohl einen kometenhaften Aufstieg, würde ich sagen.«
Neil wurde rot.
Laurie lächelte und nickte, hatte aber immer noch keinen Schimmer, was das alles sollte.
»Hört zu, Leute«, sagte Jennifer jetzt lebhaft. »Ich muss schnell noch mal für Damen. Die Fahrt bis zum Hotel dauert vielleicht eine Stunde. Will noch jemand mitkommen?«
»Wir waren schon im Flugzeug«, erwiderte Laurie.
»Super. Bin gleich wieder da«, meinte Jennifer. »Geht nicht weg! Rührt euch nicht von der Stelle! Nicht, dass wir uns noch verlieren.«
Jennifer stürmte davon. Die anderen drei sahen ihr nach. »Sie ist ja total aufgedreht«, sagte Laurie.
»Sie machen sich keine Vorstellung«, erwiderte Neil. »Jennifer hat sich unglaublich auf Sie gefreut. Ich habe sie noch nie so erlebt. Na ja, das stimmt nicht ganz. Als ihre
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