Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
man von der Umgebung nicht gerade sagen kann.«
Lucinda kicherte wieder leicht vor sich hin. Jennifer dachte, dass das wahrscheinlich eine Angewohnheit war, besonders die Art und Weise, wie sie versuchte, das Lächeln mit der Hand zu verdecken. »Dieser ganze Dreck überall, ist das nicht furchtbar? Die Klinikangestellten, auch die Ärzte, tun so, als würden sie das einfach nicht sehen, besonders die bettelnden Kinder. Und etliche von denen sind eindeutig krank.«
»Das kann ich genauso wenig verstehen. Aber wie hat man Sie behandelt?«
»Hervorragend, jedenfalls am Anfang.«
»Wie meinen Sie das?«
»Bei der Ankunft waren alle außergewöhnlich nett zu uns. Sehen Sie sich doch bloß mal dieses Hotel hier an.« Lucinda ließ die Hand durch das Restaurant schweifen. »Ich bin noch nie in einem so schönen Hotel gewesen. Und mit der Klinik war es genau das Gleiche. Sogar der Service dort war wie in einem Hotel. Das hat Herbert wortwörtlich so gesagt.«
Nach dieser beiläufigen Erwähnung ihres Mannes musste Lucinda kurz schlucken. Sie räusperte sich. Jennifer ließ ihr Zeit. »Aber heute Morgen war es anders.«
»Ach?«, sagte Jennifer fragend. »Was war denn anders?«
»Sie sind nicht zufrieden mit mir«, sagte Lucinda. »Alles war gut, bis ich mich entscheiden sollte, ob der Leichnam verbrannt oder einbalsamiert werden soll. Sie haben gesagt, ich müsste das sofort entscheiden, und als ich geantwortet habe, dass ich das nicht kann, weil mein Mann, abergläubisch, wie er war, vorher nicht mit mir darüber geredet hat, da haben sie angefangen, mich unter Druck zu setzen. Dann habe ich entgegnet, dass meine beiden Söhne herkommen wollen und dass sie das entscheiden sollen, aber die Klinikmitarbeiterin wollte nicht warten, bis jemand aus Amerika hierhergeflogen kommt. Sie hat behauptet, sie müssten es heute noch wissen. Ich habe gemerkt, dass sie sehr wütend war.«
Jetzt musste Jennifer kichern. »Bei mir ist es genau das Gleiche«, sagte sie, »und auf mich sind sie auch sauer, genau aus demselben Grund.«
»So ein Zufall.«
»Da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher«, erwiderte Jennifer. »Wo befindet sich denn der Leichnam Ihres Mannes?«
»Irgendwo in einem Kühlraum. Ich weiß es gar nicht so genau.«
»Wahrscheinlich in einer der beiden Kühlkammern im Keller, neben der Personal-Cafeteria. Dort liegt jedenfalls meine Großmutter, solange wir noch warten.«
»Worauf warten Sie denn?«
»Eine sehr gute Freundin von mir kommt hierher. Zumindest hoffe ich das. Sie ist Kriminalpathologin und arbeitete in der Gerichtsmedizin. Sie wird mir helfen und meine Großmutter untersuchen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie obduziert werden muss, und je mehr die mich unter Druck setzen, desto mehr bin ich davon überzeugt. Meine Granny war nämlich eigentlich überhaupt nicht Herzinfarkt-gefährdet. Das weiß ich wirklich ziemlich sicher.«
»So war das bei Herbert auch. Sein Kardiologe hat ihn ungefähr einen Monat vor unserer Abreise noch einmal gründlich untersucht. Er hat gesagt, dass alles in Ordnung sei und dass er ein absolut gesundes Herz und einen niedrigen Cholesterinwert hat.«
»Wieso war Ihr Mann denn überhaupt bei einem Kardiologen?«
»Vor drei Jahren waren wir gemeinsam in Afrika auf Safari. Wir haben ein paar Impfungen machen lassen und haben zur Vorbeugung ein Malariamittel genommen, Mefloquin. Leider hat er davon Herzrhythmusstörungen bekommen, aber die sind von selbst wieder weggegangen.«
»Dann hatte Ihr Mann also ein vollkommen intaktes Herz«, erwiderte Jennifer. »Genau wie meine Großmutter auch. Sie wusste noch, dass in ihrer Kindheit mal Herzgeräusche bei ihr festgestellt worden sind, und hat immer gedacht, dass da irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist. Ich habe sie dann am UCLA Medical Center von einem Top-Herzspezialisten untersuchen lassen, der festgestellt hat, dass sie anscheinend an einem sogenannten persistierenden Ductus arteriosus Botalli leidet, das heißt, dass sich eine bestimmte Blutader, die nur im embryonalen Stadium benötigt wird, nach ihrer Geburt nicht vollständig verschlossen hat. Außerdem hatte sie ein paar Rhythmusstörungen, genau wie Ihr Mann, aber das lag wohl an einem Hustensaft und war auch schnell wieder vorbei. Ihr Herz war vollkommen normal und für ihr Alter sogar sehr gut in Schuss. Also, bei so vielen Parallelen in der Krankengeschichte kann man wirklich leicht paranoid werden.«
»Was meinen Sie, wäre Ihre Freundin vielleicht
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