Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
bereit, auch einen Blick auf meinen Herbert zu werfen?«
Während der Kellner den Tisch abräumte, bestellten die beiden Frauen noch einen Kaffee, ließen sich schweigend gegen die Rückenlehnen sinken und verarbeiteten das bisher Gesagte. Anschließend steckten sie die Köpfe wieder zusammen. Jennifer sagte: »Ich kann sie auf jeden Fall fragen. Sie ist ein wunderbarer Mensch und eine renommierte Gerichtsmedizinerin, genau wie ihr Mann. Sie arbeiten gemeinsam in New York.« Dann legte sie eine kurze Pause ein. »Wann haben Sie das mit Ihrem Mann eigentlich erfahren?«
»Das war das Merkwürdigste überhaupt«, erwiderte Lucinda. »Ich habe geschlafen, da hat mich ein gemeinsamer Freund aus New York angerufen und wollte mir sein Beileid aussprechen. Das Problem war nur, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts von Herberts Tod gewusst habe. Ich dachte ja, es geht ihm gut. Ich hatte mich ja erst drei Stunden vorher von ihm verabschiedet.« Lucinda unterbrach sich und kämpfte mit zitternden Lippen gegen die Tränen an. Schließlich seufzte sie vernehmlich und trocknete sich die Augenwinkel. Sie blickte Jennifer an, versuchte zu lächeln und entschuldigte sich.
»Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen«, versicherte ihr Jennifer. In Wahrheit hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Lucinda so eindringlich ausgefragt hatte. Doch die Parallelen zwischen den beiden Fällen schienen sich zu mehren. »Geht es wieder?«, erkundigte sie sich, und ohne lange darüber nachzudenken, legte sie ihre Hand auf Lucindas Handgelenk. Sie war davon selbst überrascht. Schließlich kannte sie die Frau kaum, und jetzt hatte sie sie sogar angefasst. »Vielleicht sollten wir das Thema wechseln«, schlug Jennifer vor und zog die Hand wieder zurück.
»Nein, ist schon in Ordnung. Ehrlich gesagt, ich will sogar darüber reden. Oben, auf meinem Zimmer, da brüte ich die ganze Zeit nur vor mich hin, und das bringt überhaupt nichts. Das Reden tut mir gut.«
»Und? Was haben Sie nach dem Anruf Ihres Freundes aus New York gemacht?«
»Ich war natürlich wie vor den Kopf gestoßen. Ich habe ihn gefragt, wo, um alles in der Welt, er das gehört hat. Er hatte es bei CNN gesehen, in einem Bericht über Medizintourismus. Können Sie sich das vorstellen?«
Jennifers Unterkiefer klappte langsam auf. Sie hatte denselben Bericht gesehen wie Lucindas Bekannter, wenn auch vielleicht nicht zur selben Zeit.
»Jedenfalls«, fuhr Lucinda fort, wobei sie ihren labilen Gefühlshaushalt zunehmend besser unter Kontrolle bekam, »hat es, noch während ich mit meinem Freund gesprochen habe, plötzlich auf der zweiten Leitung geklingelt. Ich habe ihn gebeten, einen Augenblick zu warten, und umgeschaltet. Und dann war die Klinik am Apparat – unsere Patientenbetreuerin, um genau zu sein –, um mir mitzuteilen, dass Herbert tatsächlich gestorben war.«
Erneut machte Lucinda eine Pause. Sie weinte nicht mehr, atmete aber schwer.
»Lassen Sie sich ruhig Zeit«, sagte Jennifer.
Lucinda nickte, während der Kellner an ihren Tisch trat und sich erkundigte, ob sie noch einen Kaffee wünschten. Beide Frauen schüttelten den Kopf. Sie waren viel zu sehr in ihr Gespräch vertieft.
»Ich habe gedacht, wie furchtbar, dass CNN noch vor mir vom Tod meines Mannes erfahren hat, doch ich habe nichts gesagt. Das hat mich einfach komplett überwältigt. Und zu dieser Kashmira Varini habe ich nur gesagt, dass ich sofort in die Klinik komme.«
»Moment mal!«, rief Jennifer und hob beide Hände. »Kashmira Varini ist Ihre Patientenbetreuerin?«
»Ja. Wieso, kennen Sie sie?«
»Kennen wäre vielleicht zu viel gesagt, aber ich weiß, wer sie ist. Sie war auch Grannys Patientenbetreuerin. Das Ganze wird ja immer seltsamer. Heute Morgen habe ich sie gefragt, was sie über den Tod Ihres Mannes weiß, aber sie hat gesagt, sie hätte nichts davon gehört.«
»Das hatte sie aber mit Sicherheit. Schließlich habe ich sie gestern Abend noch persönlich getroffen.«
»Meine Güte«, rief Jennifer. »Ich hatte schon so ein Gefühl, als könnte man ihr nicht über den Weg trauen. Aber warum sollte sie denn lügen, wenn ich so leicht dahinterkommen kann?«
»Das ergibt einfach keinen Sinn.«
»Das eine kann ich Ihnen sagen: Ich sehe sie heute Nachmittag, und dann werde ich sie ganz direkt danach fragen. Das ist doch lächerlich. Wofür hält sie uns eigentlich? Für kleine Kinder, denen sie einfach mitten ins Gesicht lügen kann?«
»Vielleicht hat sie ihre
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