Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
Indien ist. Daher bin ich, vorsichtig ausgedrückt, ziemlich unglücklich über ihren Tod und stelle ein paar Nachforschungen an.«
»Nein, Sie machen mich nicht nervös«, erwiderte Veena angespannt. »Alles in Ordnung.« Für einen kurzen Augenblick hatte sie Maria Hernandez’ verzerrtes Gesicht vor sich.
»Sie wirken aber sehr nervös«, erwiderte Jennifer und versuchte vergebens, einen dauerhaften Blickkontakt herzustellen.
»Vielleicht habe ich Angst, dass Sie böse auf mich sind.«
Jennifer stieß ein spontanes Lachen aus, nicht laut, eher überrascht. »Warum sollte ich denn böse auf Sie sein? Sie haben doch meine Großmutter gepflegt. Meine Güte. Nein, ich bin überhaupt nicht böse. Ich bin Ihnen dankbar.«
Veena nickte, wirkte aber nicht besonders überzeugt, obwohl sie jetzt ein bisschen mehr Blickkontakt zuließ.
»Ich wollte Sie einfach fragen, wie es ihr gegangen ist. Hat sie einen zufriedenen Eindruck gemacht? Hat sie irgendwie gelitten?«
»Es ging ihr gut. Sie hat nicht gelitten. Sie hat sogar von Ihnen gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass Sie Ärztin werden wollen.«
»Das stimmt«, erwiderte Jennifer. Das überraschte sie nicht. Ihre Großmutter war außerordentlich stolz auf sie gewesen und hatte, zu Jennifers großem Kummer, jedem davon erzählt, der ihr zugehört hatte. Sie überlegte, was sie noch fragen könnte. Darüber hatte sie sich vorher praktisch keine Gedanken gemacht. »Wer hat Maria nach ihrem vermeintlichen Herzinfarkt eigentlich gefunden? Sie?«
»Nein!«, erwiderte Veena heftig. »Nein, nein. Mrs Hernandez ist während der Spätschicht gestorben. Ich arbeite tagsüber. Ich habe um halb vier Feierabend. Ich war zu Hause. Ich bin erst einen knappen Monat hier, darum bin ich nur in der Tagschicht und immer unter Aufsicht.«
Jennifer musterte die junge Krankenschwester, die in Wirklichkeit genauso alt war wie sie. Sie wurde das Gefühl nicht los, als sei die Kommunikation zwischen ihnen irgendwie gestört, als seien sie nicht ganz auf einer Wellenlänge. »Darf ich Ihnen ein paar persönliche Fragen stellen?«
Veena nickte zögerlich.
»Sie sind erst seit kurzer Zeit mit der Ausbildung fertig?«
»Seit etwa drei Monaten«, sagte Veena und nickte.
»Ist meine Großmutter die erste Patientin, die Sie verloren haben?«
»Ja«, erwiderte Veena und nickte erneut. »Die erste Privatpatientin.«
»Das tut mir leid. So etwas ist immer schwierig, egal, ob als Ärztin, als Krankenschwester oder als Medizinstudentin. Ich bin Ihnen ganz bestimmt nicht böse. Dem Schicksal vielleicht, aber nicht Ihnen. Ich weiß nicht, ob Sie religiös sind, aber falls ja, bietet Ihre Religion Ihnen da nicht einen gewissen Trost? Ich meine, dann war es doch offensichtlich das Karma meiner Großmutter, dieses Leben hinter sich zu lassen. Und vielleicht muss sie ja im nächsten Leben nicht mehr ganz so hart arbeiten. Sie hat wirklich ihr Leben lang sehr schwer geschuftet, und zwar immer für die anderen, nie für sich selbst. Sie war ein wirklich warmherziger Mensch. Der beste Mensch überhaupt.«
Als Jennifer sah, dass Veenas Augen sich mit Tränen füllten, da glaubte sie den Grund für das Unbehagen der Krankenschwester zu kennen. Granny war ihre erste Tote als ausgebildete Krankenschwester gewesen, ein sehr belastendes und einschneidendes Ereignis, was sie sehr gut nachempfinden konnte. »Wie lieb, dass Sie so mitfühlend sind«, fügte Jennifer hinzu. »Ich möchte Ihnen bestimmt kein schlechtes Gewissen einreden, würde Ihnen aber gerne noch ein paar Fragen stellen. Wissen Sie vielleicht noch mehr über den Tod meiner Großmutter? Ich meine, zum Beispiel, wer sie gefunden hat und unter welchen Umständen? Vielleicht sogar die genaue Uhrzeit?«
»Theru Wadhwa hat sie gefunden. Er wollte sie fragen, ob sie vielleicht ein Schlafmittel haben möchte«, antwortete Veena und wischte sich mit dem Handrücken die Augenwinkel trocken. »Er hat gedacht, dass sie schon schläft, bis er gemerkt hat, dass ihre Augen offen waren. Ich habe ihn gestern Abend gefragt, als er mit seiner Schicht angefangen hat. Weil sie ja meine Patientin war und so weiter.«
»Um wie viel Uhr, wissen Sie das?«, hakte Jennifer nach. Sie war eigentlich davon ausgegangen, dass die junge Frau jetzt, nachdem sie ihren wunden Punkt angesprochen hatten, lockerer werden würde, aber das war nicht der Fall. Wenn überhaupt, dann wirkte sie eher noch nervöser. Sie knetete ununterbrochen die Hände.
»So gegen halb elf.«
»Wenn
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