Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
Welt?«
»Ich möchte einfach wissen, was da als Todesursache eingetragen wurde.«
»Ein Herzinfarkt, wie ich gesagt habe.«
»Ich möchte ihn trotzdem sehen. Haben Sie ihn hier, wenigstens als Kopie?«
»Er ist hier, in der Zentralakte.«
»Kann ich ihn sehen? Ich gehe davon aus, dass ich sowieso irgendwann eine Kopie davon bekomme. Es ist ja kein Staatsgeheimnis.«
Kashmira überlegte kurz, zuckte mit den Schultern und rollte mit dem Stuhl zu einer Wand aus Aktenschränken. Sie zog eine der Schubladen auf, ließ den Finger über die Karteikarten gleiten und zog schließlich eine einzelne Akte hervor. Daraus holte sie ein Dokument, kehrte an ihren Schreibtisch zurück und überreichte es Jennifer.
Jennifer spürte einen Stich, als sie den Namen ihrer Großmutter auf dem Dokument entdeckte. Es war auf Hindi und Englisch ausgestellt, sodass sie problemlos alles verstehen konnte. Sie überflog die handschriftlichen Eintragungen, die Todesursache, Herzinfarkt und den Todeszeitpunkt feststellten: 15. Oktober 2007, 22.35 Uhr. Sie prägte sich die Angaben gut ein und gab Kashmira das Blatt wieder. Diese steckte es zurück in die Akte und diese an ihren angestammten Platz im Schrank.
Dann ließ sie den Schreibtischstuhl wieder an ihren Platz zurückgleiten und blickte Jennifer an. »Also! Nachdem wir nun alles besprochen und erledigt haben, sind Sie denn bereit, mir zu sagen, was wir machen sollen: einäschern oder einbalsamieren?«
Jennifer schüttelte den Kopf. »Auch ich bin mit meinem Latein am Ende. Aber ich sehe einen Silberstreifen am Horizont. Meine Großmutter war früher als Kindermädchen bei einer Familie beschäftigt, und das Mädchen, das sie damals betreut hat, ist heute Kriminalpathologin. Ich habe mit ihr telefoniert, und sie ist bereits auf dem Weg hierher. Sie dürfte morgen Abend hier eintreffen. Ich werde alle meine Rechte an sie und ihren Mann abtreten, der ebenfalls Gerichtsmediziner ist.«
»Dann möchte ich Sie noch einmal daran erinnern, dass es keine Rolle spielt, ob sie Pathologen sind oder nicht. Es wird keine Obduktion geben, Punkt. Dafür gibt es keine Genehmigung, und es wird auch keine geben.«
»Kann sein, kann aber auch nicht sein. Zumindest habe ich dadurch das Gefühl, dass mir jemand zur Seite steht. Im Moment kann ich nicht besonders klar denken. Ich bin total erschöpft, aber ich finde keinen Schlaf.«
»Vielleicht kann ich Ihnen ein Schlafmittel besorgen.«
»Nein, danke«, erwiderte Jennifer. »Aber ich hätte gerne eine Kopie der Patientenakte meiner Großmutter.«
»Das lässt sich machen, aber es kann bis zu vierundzwanzig Stunden dauern.«
»Von mir aus! Außerdem möchte ich mit dem Chefarzt der Chirurgie sprechen.«
»Er ist sehr beschäftigt. Sollten Sie konkrete Fragen haben, dann geben Sie sie mir doch bitte schriftlich. Ich werde dann versuchen, die Antworten zu beschaffen.«
»Und wenn es ein ärztlicher Kunstfehler war?«
»In einer internationalen Klinik wie dem Queen Victoria Hospital gibt es keine ärztlichen Kunstfehler. Tut mir leid.«
»Ich muss schon sagen, besonders hilfsbereit sind Sie nicht.«
»Hören Sie, Miss Hernandez. Sie würden uns garantiert hilfsbereiter erleben, wenn Sie Ihrerseits etwas mehr Kooperationsbereitschaft: zeigen würden.«
Jennifer stand auf.
»Wirklich«, fuhr Kashmira fort, »ich könnte Ihnen etwas zum Schlafen besorgen. Wenn Sie erst einmal ausgeschlafen sind, kommen Sie ja vielleicht zur Besinnung und erkennen, dass Sie eine Entscheidung treffen müssen. Ihre Großmutter kann nicht länger in unserem Kühlraum bleiben.«
»Das ist mir auch jetzt schon klar«, erwiderte Jennifer. »Warum überstellen Sie den Leichnam nicht einfach in eine normale Leichenhalle?«
»Das geht nicht. Die öffentlichen Leichenhallen in unserem Land sind, dank unserer altertümlichen Bürokratie, in einem katastrophalen Zustand. Sie sind nicht, wie es eigentlich sinnvoll wäre, dem Gesundheitsministerium zugeteilt, sondern dem Innenministerium, das aber kein Interesse daran hat und daher viel zu wenig Geld dafür bereitstellt. In manchen gibt es gar keine Kühlung, in anderen nur gelegentlich, sodass die Leichen regelmäßig verwesen. Um es in schonungsloser Deutlichkeit zu sagen: Wir dürfen so etwas nicht zulassen, auch nicht bei Ihrer Großmutter. Es könnte negative Schlagzeilen zur Folge haben. Wir versuchen, Ihnen zu helfen. Bitte helfen Sie uns auch!«
Mit einem Mal hatte Jennifer das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu
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