Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
die Höhe.
Laurie schnappte ihn am Arm. »Ich warte noch auf Calvin. Ich möchte so schnell wie möglich wissen, woran ich bin. Wenn er Ja sagt, dann komme ich schnell noch runter in den Schacht, bevor ich lossause und unsere Visa besorge.«
»Okay«, erwiderte Jack, war aber offensichtlich mit den Gedanken schon bei dem vor ihm liegenden Fall.
Nach einem kurzen Abstecher zum Empfang, um Marlene mitzuteilen, dass sie bei Calvins Eintreffen sofort informiert werden wollte, fuhr Laurie mit dem Fahrstuhl in ihr Büro im vierten Stock. Dort vertiefte sie sich in den Stapel mit ihren nicht abgeschlossenen Fällen. Aber weit kam sie nicht. Schon zweiundzwanzig Minuten später gab Marlene Bescheid, dass Calvin gerade eben zur Tür hereingekommen sei, viel früher als sonst.
Das Büro des stellvertretenden Leiters der Gerichtsmedizin lag direkt neben dem deutlich größeren Chefbüro in der Nähe des Gebäudeeingangs. Es war noch nicht einmal acht Uhr, sodass die Sekretärinnen noch gar nicht da waren und Laurie sich selbst bemerkbar machen musste.
»Kommen Sie rein!«, sagte Calvin, als er Laurie in seiner Tür stehen sah. »Was immer Sie von mir wollen, beeilen Sie sich. Ich werde drunten im Rathaus erwartet.« Calvin war Afroamerikaner und hatte eine hünenhafte Statur. Er hätte genauso gut auch Football-Profi werden können, wenn er sich nach dem College nicht lieber für das Medizinstudium entschieden hätte. Die einschüchternde Erscheinung in Kombination mit einem aufbrausenden Temperament und einem Hang zum Perfektionismus machten ihn zu einem sehr effektiven Verwaltungschef. Das OCME war zwar eine städtische Behörde, aber unter Dr. med. Calvin Washington wurde alles erledigt, was zu erledigen war, und zwar sehr effizient.
»Tut mir leid, dass ich Sie schon so früh stören muss«, fing Laurie an, »aber ich fürchte, Jack und ich haben einen Notfall.«
»Oh-oh«, machte Calvin, während er die Sachen einsammelte, die er für das Treffen mit dem Bürgermeister brauchte. »Wieso habe ich plötzlich das Gefühl, als müsste ich ohne meine beiden produktivsten Pathologen auskommen? Okay, wo ist das Problem? Die Kurzfassung, bitte.«
Laurie räusperte sich. »Können Sie sich an dieses junge Mädchen erinnern, Jennifer Hernandez, der ich von vierzehn Jahren hier ein Praktikum verschafft habe?«
»Wie könnte ich sie vergessen. Ich war total dagegen, aber irgendwie haben Sie es geschafft, mich zu überreden. Und dann hat sich herausgestellt, dass es eine der besten Entscheidungen war, die dieses Institut jemals getroffen hat. Vierzehn Jahre ist das schon her? Großer Gott!«
»Ja, so lange schon. Jennifer macht im kommenden Frühjahr ihr Examen an der UCLA Medical School.«
»Das ist ja großartig. Ich habe sie wirklich sehr gern gehabt.«
»Sie lässt Sie grüßen.«
»Grüßen Sie sie zurück«, sagte Calvin. »Laurie, legen Sie einen Zahn zu. Ich muss schon seit fünf Minuten wieder weg sein.«
Laurie erzählte ihm, dass Maria Hernandez gestorben war und dass Jennifer nicht so recht wusste, wie sie mit dem Leichnam verfahren sollte. Und sie erzählte Calvin, dass Maria nicht nur für Jennifer, sondern auch für sie selbst wie eine Mutter gewesen war, von frühester Kindheit an bis zum Anfang der Teenagerzeit. Sie beendete ihre Ausführungen mit dem Satz, dass Jack und sie nach Indien fliegen wollten und dafür eine Woche Urlaub bräuchten.
»Mein Beileid«, sagte Calvin. »Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Sie ihr die letzte Ehre erweisen wollen, aber wieso muss Jack auch mitkommen? Wenn Sie ohne Vorwarnung beide gleichzeitig Urlaub nehmen, dann geraten wir hier ziemlich in Stress.«
»Der Grund, warum Jack mit muss, hat eigentlich nichts mit dem Tod von Mrs Hernandez zu tun«, erläuterte Laurie. »Jack und ich machen jetzt seit acht Monaten eine Fruchtbarkeitsbehandlung. Zurzeit bin ich gerade in einem Zyklus, wo ich mir hoch dosierte Hormongaben injiziere, und in wenigen Tagen ist die Follikel auslösende Spritze vorgesehen. Das ist dann der Zeitpunkt …«
»Okay, okay!«, rief Calvin und unterbrach Laurie mitten im Satz. »Ich hab’s kapiert. Gut! Sie kriegen ihre Woche frei. Wir kommen schon zurecht.« Calvin griff nach seiner Aktentasche.
»Vielen Dank, Dr. Washington«, sagte Laurie. Sie zitterte vor Aufregung. Jack und sie würden also tatsächlich nach Indien reisen. Sie folgte dem stellvertretenden Institutsleiter aus seinem Büro.
»Rufen Sie mich an, wenn Sie wissen, wann Sie
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