Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
doch Terese nahm von ihrer Umgebung nichts wahr. Sie war vollkommen durcheinander und brauchte dringend Trost und Zuspruch.
Als sie das Zimmer betraten, hatte Matthew sein Handy am Ohr und telefonierte. Er war Börsenmakler, das Telefon sein ständiger Begleiter. Zwei Schwestern von der Station beförderten Terese mit ein paar routinierten Griffen in ihr neues Bett und befestigten die Infusionsschläuche hinter ihrem Kopf an einem Ständer. Nachdem sie sich vergewissert hatten, daß alles in Ordnung war, und ihre Patientin aufgefordert hatten, sofort zu klingeln, wenn sie irgend etwas brauche, verließen sie den Raum. Terese sah zu Matthew hinüber, doch der hatte sich abgewendet, nachdem er sein Telefonat beendet hatte. Sie wußte nicht, wie er auf die Katastrophe reagieren würde. Immerhin waren sie erst seit drei Monaten verheiratet. Entschlossen klappte er schließlich das Handy zusammen und ließ es in seine Jackentasche gleiten. Dann drehte er sich zu Terese um und starrte sie einen Augenblick an. Er hatte seine Krawatte gelöst und seinen Hemdkragen geöffnet.
»Wie geht es dir?« fragte er schließlich ziemlich ungerührt. »Den Umständen entsprechend«, erwiderte Terese. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als daß er zu ihr kommen und sie umarmen würde, doch er blieb auf Distanz. »Das ist eine ziemlich vertrackte Situation«, sagte Matthew. »Ich glaube, ich verstehe dich nicht ganz.«
»Ich will damit sagen, daß sich der Hauptgrund, aus dem wir geheiratet haben, gerade in Luft aufgelöst hat. Dein Plan ist wohl eindeutig nicht aufgegangen.«
Terese blieb der Mund offenstehen. Sie war so fassungslos, daß sie um Worte ringen mußte. »Deine Andeutung gefällt mir nicht«, stammelte sie schließlich. »Ich hatte es bestimmt nicht darauf angelegt, schwanger zu werden.«
»Bleib von mir aus bei deiner Version«, entgegnete Matthew. »Ich gehe von einer anderen aus. Das Problem ist nur: Was wollen wir jetzt tun?«
Terese schloß die Augen. Sie konnte nichts erwidern. Sie fühlte sich, als hätte Matthew ihr gerade ein Messer ins Herz gerammt. Spätestens in diesem Augenblick wurde ihr klar, daß sie ihn nicht liebte. Im Gegenteil: Sie haßte ihn.
1. Kapitel
New York City,
Mittwoch, 20. März 1996,7.15 Uhr
»Entschuldigen Sie bitte«, wandte sich Jack Stapleton mit vorgetäuschter Höflichkeit an den dunkelhäutigen, aus Pakistan stammenden Taxifahrer. »Wieso steigen Sie nicht aus? Dann können wir die Angelegenheit in aller Ruhe ausdiskutieren?« Jack spielte darauf an, daß der Taxifahrer ihn an der Kreuzung 46th Street und Second Avenue geschnitten hatte. Als Vergeltung hatte er gegen die Fahrertür des Taxis getreten, als sie in der Höhe der 44th Street beide vor einer roten Ampel anhalten mußten. Jack saß auf seinem Cannondale-Mountainbike, mit dem er jeden Morgen zur Arbeit fuhr.
Der morgendliche Disput war für ihn durchaus nichts Ungewöhnliches. Sein Weg führte ihn täglich die Second Avenue hinunter, wobei er die Strecke zwischen der 59th Street und der 13th Street nur in einem haarsträubenden Slalom bewältigen konnte und ein rasantes Tempo an den Tag legte. Auseinandersetzungen waren an der Tagesordnung. Jeden anderen hätte diese allmorgendliche Höllenfahrt an den Rand des Nervenzusammenbruchs getrieben, doch Jack liebte seine tägliche Tour. Sie sorge dafür, daß sein Blut in Wallung komme, pflegte er seinen Kollegen zu erklären.
Der Taxifahrer hatte beschlossen, Jack einfach so lange zu ignorieren, bis die Ampel auf Grün sprang. Doch bevor er losbrauste, wünschte er ihn noch einmal lauthals zum Teufel. »Gleichfalls!« brüllte Jack zurück. Er stellte sich in die Pedalen, bis er sein Tempo dem motorisierten Verkehr angepaßt hatte. Dann ließ er sich in den Sattel sinken und strampelte mit wilden Beinbewegungen weiter. Schließlich holte er den Taxifahrer sogar ein, doch er schenkte ihm keine weitere Beachtung. Er drängelte sich zwischen das Taxi und einen vorausfahrenden Lieferwagen.
Als er die 13th Street erreicht hatte, bog er in Richtung Osten ab, überquerte die First Avenue und brachte sein Fahrrad nach einem scharfen Lenkmanöver in der Ladezone des New Yorker Instituts für Gerichtsmedizin zum Stehen. Hier arbeitete er seit fünf Monaten. Man hatte ihm diese Stelle angeboten, nachdem er seine Facharztausbildung zum Pathologen beendet und sich ein weiteres Jahr lang in der forensischen Medizin fortgebildet hatte.
Er schob sein Fahrrad am Büro
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